Kultur auf dem Prüfstand

HR-PraxisDie Büros sind leer, Gänge, Sitzungszimmer und das Restaurant für Mitarbeitende verwaist. Und dennoch laufen täglich hunderte Meetings über den Bildschirm, starten neue Webinare und in Teamchats sprudeln die Gespräche und lustige Screenshots aus dem Homeoffice. Dies erzeugt das Gefühl, ständiger Präsenz. Alles läuft eigentlich wie bisher nur eben anders.

Bereits vor dem Lockdown waren Fragen nach Einfluss von Digitalität auf die Unternehmenskultur, das Arbeitsklima und daraus folgende Herausforderungen an die Führungskräfte, ein viel diskutiertes Thema. Doch die Binsenwahrheit in Form einer These zuerst: «Im Kern bleibt sich der Mensch selbst treu. Ebenso bleiben Wertschätzung und das Bedürfnis nach einer sinnvollen Tätigkeit.»

Das charakteristische an Veränderungen ist, dass Gewohnheiten erlöschen, vertraute Muster hinterfragt werden müssen und Neues vielfach Verunsicherung oder gar Angst auslöst. Wenn vorher die Führung auf Mikromanagement und Kontrolle gesetzt hat, wird sie jetzt nicht umhinkommen, dieses Verhalten zu reflektieren. Wer es versäumt hat, Mitarbeitende mit Verantwortung und Kompetenz auszustatten, schläft in diesen Zeiten unruhig. Das Erfassen der Stimmung im Team, der tägliche kurze Austausch fehlt. Auch Themen, wie etwa Unstimmigkeiten zwischen Mitarbeitenden im Homeoffice und jenen, die aus betrieblichen Gründen nicht von Zuhause aus arbeiten, können bisher versteckte Gräben im Team aufreissen. Natürlich kann man dies auch als Chance verstehen: Veränderungen reinigen und klären. Sie spülen an die Oberfläche, was bisher im Verborgenen schlummerte.

Unternehmenskultur ist ein lebendiger Organismus, der durch das Verhalten der Menschen beeinflusst und getragen wird. Die momentane physische Abwesenheit erfordert neue Wege und mutige Entscheidungen. Nehmen Sie als HR-Verantwortliche Ihre Verantwortung wahr und stellen Sie den Führungskräften zur Sensibilisierung auf diesen Prozess die richtigen Fragen:

  • Welche klaren Regeln (z. B. Kommunikation, Arbeitsverhalten etc.) haben Sie gemeinsam mit den Mitarbeitenden für diese Zeit aufgestellt?
  • In welchen Abständen kommunizieren Sie selbst mit dem Team?
  • Wie sicher sind Sie im Umgang mit digitalen Kommunikationsmitteln? (Sind diese auch an die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeitenden angepasst, entsprechen diese beispielsweise dem jeweiligen Wissenstand, Anwendbarkeit etc.?)
  • Was bedeutet es, Mitarbeitende nicht nach Präsenzzeit im Büro, sondern erbrachter Leistung im Homeoffice zu messen? (Wie und mit welchen Instrumenten tun Sie dies?)
  • Welche Massnahmen treffen Sie, um den Teamgeist zu stärken und die Bildung von Subkulturen zu vermeiden?
  • Wie erkennen Sie auffälliges Verhalten oder Leistungsabfall bei einzelnen Mitarbeitenden?
  • Wie zeigen Sie Wertschätzung und Fürsorge? Und woran erkennen Sie, dass diese bei den einzelnen Mitarbeitenden ankommt?
  • Auf welche Weise pflegen Sie Kontakte zu gleichgestellten Führungskräften?
  • Was fordern Sie zusätzlich ein von Ihren Vorgesetzten?

Antworten auf diese Fragen schaffen die Grundlage einer vielleicht neuen, tragfähigeren Kultur. Denn die digitale Welt mag viele Vorteile haben, soziale Verbundenheit gehört nicht dazu. Somit wird emotionale Intelligenz eine der wichtigsten Eigenschaften in der zukünftigen Arbeitswelt sein. Die Zeit ist günstig um das eigene Verhalten zu reflektieren und sich darüber klar zu werden, wie motiviert man sich tatsächlich auf die neuen Gegebenheiten einstellen kann oder möchte.

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