Ohne wäre es nicht gegangen. Das Überleben der Pandemie war vor allem möglich, weil viele Mitarbeitende bereit waren, den Bürostuhl gegen den Küchentisch zu tauschen. Flexibilität war das Zauberwort. Und das Modell war so erfolgreich, dass es über Nacht zum ultimativen Benefit für neue Mitarbeitende erklärt wurde. Homeoffice avancierte zum Heilsbringer. Doch jetzt dreht sich der Wind. Erste Unternehmen verhängen Verbote. Finito Homeoffice! Ist das wirklich ein kluger Schachzug? Hier ein paar Gedanken dazu.
Zweifellos war das Homeoffice ein Turbo für die Digitalisierung. Unbestritten spart man sich den nervigen Arbeitsweg. Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben profitiert.
Aber: Arbeitet man zu Hause besser? Lassen sich Mitarbeitende im Homeoffice überhaupt führen? Geht da der Kontakt nicht verloren? Das Engagement? Der Zusammenhalt? Die ersten grossen Unternehmen ziehen nun die Reissleine. Sulzer beordert ihre Mitarbeitenden zurück ins Büro. Schindler hat den Nothalte-Knopf gedrückt und macht es genau gleich. In den USA haben es grosse Firmen wie Amazon, Disney oder Google vorgemacht. Dort geht’s aber eher um straffere Regeln als um komplette Abschaffung. Was spricht also dafür, die gute alte Bürowelt wiederzubeleben? Nicht viel.
1. Schlechte Führung bleibt schlechte Führung
Remote Leadership, das Führen ohne physische Nähe, ist kein Zuckerschlecken. Obwohl: Für viele internationale Unternehmungen war das schon Alltag, bevor Homeoffice zum Buzzword wurde. Genauso für Firmen, die ihre Handwerker auf Baustellen schicken oder mit Chauffeuren in der Logistik arbeiten. Homeoffice macht nur deutlich, was moderne Führung bedeutet: Vertrauen und Eigenverantwortung fördern. Mitarbeitende als mündigen Partnerinnen und Partner sehen. Wenn man unter Führung jedoch Befehle erteilen und Kontrolle versteht, sollte man Mitarbeitende lieber per Stempelkarte von 8 bis 17 Uhr ins Büro sperren. Dann weiss man wenigstens, dass sie da sind. Kurz und bündig: Miese Führung wird nicht besser, nur weil man Homeoffice abschafft.
2. Präsenz macht keine besseren Teams
Präsenz fördert die Zusammenarbeit – so lautet das Mantra der Bürotiger. Homeoffice macht schlecht funktionierende Teams schlechter. Das ist richtig. Nur: Auch im Büro kann man sich prima verstecken. Gemeinsame Mittagessen schwänzen, Team-Meetings absagen oder sich hinter «wichtigen Projekten» verschanzen. Das Home-Office Verbot löst das Problem von disfunktionalen Teams nicht. Auch wenn die Teamprobleme mit Homeoffice weniger sichtbar sind, führt wieder kein Weg am Thema Führung vorbei. Schlechte Teams werden nicht gut, wenn man sie zurück ins Büro befiehlt. Schlechte Teams werden zu guten Teams, wenn man sich richtig führt und coacht.
3. Laissez-Faire
Höhere Effizienz und Produktivität durch Präsenz? Quatsch. Alle gängigen Studien weisen in eine andere Richtung: Die Produktivität im Homeoffice ist generell höher. Wegzeiten fallen weg, Reisekosten sinken.
Das Problem ist eher das Laissez-faire-Homeoffice. Viele Unternehmen haben es verschlafen, die relevanten Konflikte anzugehen. Wann macht es Sinn, vor Ort zu sein? Wann ist Homeoffice besser? Es fehlt an einer sauberen Diskussion, welche Prozesse und Tätigkeiten Präsenz wirklich erfordern und welche nicht. Kreative Prozesse kann man mit online Tools bewerkstelligen. Sie ersetzen jedoch nie ein physisches Meeting, wo Emotionen erlebbar sind. Hier soll und darf man Regeln aufstellen. Am liebsten gemeinsam – weil so Betroffene zu Beteiligten werden.
4. Präsenz organisieren, nicht erzwingen
Homeoffice ist gut. Leere Büros sind es nicht. Leere Büros wirken deprimierend und schreien: «Schau her, was das alles kostet, wenn es niemand nutzt!». Als Konsequenz bedeutet es, Büroräumlichkeiten zu reduzieren und Präsenz zu organisieren. Wir müssen uns von Einzelarbeitsplätzen verabschieden und gleichzeitig dafür sorgen, dass unsere Büros so attraktiv sind, dass die Mitarbeitenden gerne kommen. Sie kommen gerne, weil das Büro der optimale Treffpunkt ist. Weil es tolle Arbeitsplätze gibt. Workshopräume, Konzenrtationsräume, Konferenzräume, Teamspaces und eine feine Espresso Bar. Es gibt Weiterbildungsevents, Tagungen und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Graue Bürogänge sind passé. Hier müssen wir ansetzen.
Konsequenzen
Wer seine Mitarbeitenden zurück ins Büro befiehlt riskiert einen massiven Attraktivitätsverlust auf dem Arbeitsmarkt. Homeoffice ist zum Hygienefaktor einer jeden Stellenausschreibung geworden. So selbstverständlich wie eine zeitgemässe Pensionskassenlösung.
Die neue Generation will selbstbestimmt arbeiten. Der verordnete Büro-Knast vermittelt so ziemlich das gegenteilige Signal. Familien, die dank Homeoffice endlich die Arbeit besser aufteilen konnten, werden in alte Rollenklischees zurückgeworfen. Mitarbeitende vergeuden ihre Zeit im Stau oder überfüllten Zügen. Das Büro wird zur Virenschleuder, Krankheitstage schiessen durch die Decke. Statt Arbeitsplätze zu reduzieren, bleiben wir auf teuren Mieten für Bürohäuser hocken.
Fazit
Jeder einigermassen gescheite Unternehmer weiss die Vorteile, die ihm Homeoffice in der Not gebracht haben, auch in der Gegenwart zu schätzen. Aber vergessen wir nicht: Das Konzept von Homeoffice steckt immer noch in den Kinderschuhen. Arbeitgebende tun sich gut daran Regeln auszuhandeln, die allen Seiten gerecht werden. Freie Wahl von «was immer du für richtig hältst», ist definitiv nicht das Richtige.
Chefs müssen bessere Coaches werden. Büros zu attraktiven Treffpunkten. Oder wie Cisco es sagt: «Make the office a magnet and not a mandate». Die Abschaffung von Homeoffice ist ein Zeichen der Verzweiflung von Unternehmen, die unfähig sind dieses Instrument zu ihrem Vorteil zu nutzen. Es ist aber auch ein Weckruf für die Befürworter, ihre Homeoffice-Politik mit Verstand, Geschick und Engagement weiterzuentwickeln. Game over? Von wegen – das Spiel hat gerade erst begonnen!
Super Beitrag, bringt alle hot topics clever auf den Punkt.