Früher war natürlich alles besser, sagen die Älteren unter uns. Damals, als man noch analog miteinander kommunizierte und Briefe schrieb. Heute preisen wir die Vorzüge unserer Smartphone-Kultur, wissen uns aber nicht mehr vor deren ungewollten, negativen Auswirkungen zu schützen. Die Beispiele sind zahlreich.
Wir werden auf unseren elektronischen Geräten mit Wichtigkeiten und Nichtigkeiten nur so überflutet. Kein Wunder, nimmt die Qualität unserer Kommunikation in einem erschreckenden Mass ab – im Gleichschritt mit dem rasanten technologischen Fortschritt.
«Stille war’s im Winterwalde…»
So bezeichnen wir scherzhaft das Phänomen ausbleibender Antworten. Mit diesem Spruch meinen wir in erster Linie das Stillschweigen von Kunden und Bewerbern in der Kommunikation. Das Verrückte ist: Die modernen Kommunikationsmittel bescheren uns dauernden Aussenkontakt, tatsächlich aber leidet der menschliche Gedankenaustausch auf empfindliche Weise.
E-Mails und Anrufe nicht oder erst zeitverzögert zu beantworten, ist eine allseits beklagte und weit verbreitete Unsitte geworden. Ob eine Anfrage, eine Bewerbung, eine Offerte, eine Reklamation: Ist die Kommunikation dem Empfänger nicht «genehm», dann wird sie einfach «entsorgt» oder schlicht nicht beantwortet. Ein Zeichen von missverstandener Macht und Arroganz und ein Beweis der Hilflosigkeit und der fehlenden Achtung.
No news, good news
Setzt man das englische Sprichwort wortgetreu um, so bedeutet jede ausbleibende Antwort automatisch eine positive Botschaft. Dies mag im Paradies zutreffen, doch nicht in der Realität und erst recht nicht auf dem Arbeitsmarkt. Vielmehr gilt hier: «Auch keine Antwort ist eine Antwort», indem die unangenehme Botschaft feige in Stillschweigen verpackt wird. Einmal ausgepackt, stösst der Empfänger in aller Regel auf einen negativen Inhalt.
Auf dem Weg zur Einbahnkommunikation
Wir tweeten, posten, liken und sharen um die Wette, lassen dabei aber elementare Spielregeln der Kommunikation ausser Acht, nämlich das aktive Wechselspiel zwischen Sender und Empfänger. Internet und Social Media bieten intensivere Kommunikationsmöglichkeiten, aber auch Gelegenheiten, den Adressaten zu ignorieren. Die Schnelllebigkeit unserer Zeit macht auch vor unserer Kommunikation nicht Halt und erhöht die Erwartungen an die Echtzeitkommunikation.
Wo die Digitalisierung eine verlockende Zeitersparnis verspricht, entpuppt sie sich vielfach als trügerische «Falle». Elektronische Bewerberportale beispielsweise, bedeuten sowohl eine Vereinfachung im Bewerbungsmanagement, aber auch eine Steigerung an Volumen und Zeitdruck. Entsprechend gross ist die Gefahr, in den elektronischen Fangnetzen den Überblick, respektive den Sinn fürs Wesentliche zu verlieren.
Wir alle lassen uns von vollen Postfächern im Netz, unbeantworteten Botschaften auf dem Handy und blinkenden Nachrichten im Festnetz stressen. Kein Wunder sind wir im Speerhagel der Informationen lieber Jäger als Gejagte, also lieber Sender als Empfänger. Umgemünzt auf unser Kommunikationsverhalten bedeutet dies eine Entwicklung hin zur Einbahnstrasse.
Bei schlechter oder ausbleibender Kommunikation droht Reputationsverlust
Im Gespräch mit Kandidatinnen und Kandidaten, kommen uns viele positive Erfahrungen zu Ohren, die sie vom Kontakt mit dem Wunsch-Arbeitgeber mitnahmen. Eine wachsende Zahl hingegen beklagt sich und berichtet von ausbleibenden Reaktionen auf das Bewerbungsdossier – mit Ausnahme der Empfangsbestätigung – auf eine Nachfrage über den Stand der Dinge oder sogar auf die Rückfrage nach dem Interview. Manche Unternehmen halten es offenbar nicht für nötig, sich für eine Absage zurückzumelden, sich für eine Verzögerung zu entschuldigen oder sind damit einfach überfordert.
Nicht weiter erstaunlich, dass es im Netz unzählige Ratgeber zum Thema «Super Vorstellungsgespräch, keine Reaktion – was ist da los?» gibt. Nicht nur Bewerber, auch Firmen haben meist keine zweite Chance für einen missratenen ersten Eindruck. Wer aber möchte schon freiwillig in einem Unternehmen arbeiten, bei dem die Professionalität fehlt, das ineffizient und offenbar auch respektlos ist?
Firmen sind sich wohl teilweise nicht bewusst, welch fahrlässigen und nachhaltigen Imageschaden sie mit ihrer Nachlässigkeit verursachen. Denn wir alle sind auf unsere Weise auch Kunden, Anleger oder einfach wohlgesinnte oder frustrierte Image-Botschafter.
Immer schneller, immer unanständiger
Wir sind virtuell so vernetzt wie nie zuvor und parallel dazu werden elementare Werte im menschlichen Austausch zunehmend verletzt. Nie zuvor in unserer Geschichte waren Umgangsformen so undefiniert wie heute. Höflichkeiten werden unter dem Primat des ständigen Zeitdrucks geopfert, wobei wir paradoxerweise den Eindruck haben, immer weniger Zeit zur Verfügung haben. Die Kunst und Herausforderung ist es, trotz E-Mail-Flut und dem Zwang dauernder Erreichbarkeit, minimale «Benimmregeln» der digitalen Kommunikation zu befolgen.
Lieber eine knappe und ehrliche Antwort, als gar keine
Ein selektiver Umgang mit den modernen Medien, ihren Verlockungen und Tücken, kann unnötigen Stress und Unbill vermeiden. Nicht jede Nachricht erfordert eine sofortige oder überhaupt eine Antwort, andere dagegen schon oder sind gar dringend nötig. Die Priorisierung ist Verantwortung jedes Einzelnen und baut gewissermassen auf gesundem Menschenverstand auf. Egal ob knapp oder ausführlich, positiv oder abschlägig, per E-Mail oder per Telefon: Eine seriöse, persönlich adressierte Botschaft, verlangt nach einer Antwort – und zwar zeitnah. Alle Alternativen der Nicht-Kommunikation sind schlicht und einfach unhöflich.
Und doch passiert genau dies leider zu oft. Auf der einen Seite die Unternehmen, die sich, im Zuge elektronischer Optimierung und kommunikativer Überforderung, vermehrt von ungewollten Anstürmen ihres jeweiligen Publikums zu schützen versuchen. Vor allem Grossfirmen tun dies, indem sie in ihren Stellenausschreibungen meist keine konkrete Bezugsperson aufführen. Auf der anderen Seite die Kandidaten: Erhalten sie nach einer subjektiv gefühlten Ewigkeit immer noch keine Antwort auf ihre Bewerbung, ist es nicht weiter erstaunlich, dass sie Firmen mit – als lästig empfundenen – Nachfragen bedrängen.
Ein kurzer gedanklicher Rollenwechsel könnte wirksame Abhilfe schaffen, nämlich: «Wie würde ich an seiner/ihrer Stelle reagieren»? Abgesehen von der grundsätzlichen Möglichkeit, dass der heutige Entscheidungsträger am längeren Hebel, kurzfristig der Bittsteller von morgen am kürzeren Hebel werden könnte.
Wer mit dem eigenen Firmennamen hausiert oder sich mit seinem Arbeitgeber identifiziert, wird unweigerlich auch mehr Verantwortung für sein Tun übernehmen. Und erkennen, welche seiner Handlungen dem Geschäft förderlich sind und welche nicht.
Die löblichen Ausnahmen machen – wie überall – den positiven Unterschied und zeigen, dass es auch anders geht. «Man kann nicht nicht kommunizieren», sagt Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Wir alle können dazu beitragen, dass aus der weit verbreiteten passiven – respektive stillschweigenden – Kommunikation, wo immer möglich, ein aktiver Dialog entsteht. Sicherlich nicht in jedem Fall und auch nicht in aufwendiger Form, aber dort, wo es der Anstand gebietet.
Merci, Christoph, für Deine Zustimmung. Ich meine, wir könnten alle ein „Liedlein singen“ davon – vielleicht besser nicht laut hörbar! Herzlich, Sabine
Auf den Punkt gebracht; Gratulation! Nun hoffe ich nur, dass das Geschriebene einen Lernprozess in Gang setzt, um der Verwilderung der Kommunikationssitten entgegen zu treten.
Vielen Dank, lieber Christian, für Deinen wohlwollenden Kommentar. Gehen wir mit gutem Beispiel voran… Liebe Grüsse, Sabine
Das Buch, dass ich kürzlich gelesen habe, bildet diese Entwicklung sehr gut ab: «In fact, neglecting to keep in close contact with people who are important to you is at least as dangerous to your health as a pack-a-day cigarette habit, hypertension, or obesity.» ― Susan Pinker, The Village Effect: Why Face-to-face Contact Matters
Liebe Anne-Sophie
Klingt nach einem interessanten Buch – merci für Deinen Beitrag! Das ist wirklich ein erschreckender, aber eindrücklicher Vergleich… Sabine
So wahr! Danke Sabine.