Es ist schwer zu glauben, dass die heutige, klassische HR-Arbeit, den unternehmerischen Herausforderungen der Zukunft hinsichtlich des Menschen im kulturellen Umfeld gewachsen ist…
Zu Beginn wurde es kaum wahrgenommen, als 1986 die amerikanische Hotel Gruppe «Hilton International» auf ihrem Organigramm die Position Personal Department mit der Bezeichnung Human Resources ersetzte und die Funktion zeitgleich aus der Linie, dem Präsidenten der Firma direkt unterstellte. Es war ein Zeichen, weg von der reinen Personaladministration hin zu einem umfassenden Personalmanagement, wie es damals hiess. Das Organigramm war aufgeteilt auf die HR-Verantwortliche. Ihr unterstellt, der ursprüngliche Personalchef sowie die bis anhin noch wenig bekannte Abteilung der Personalentwicklung. Getreu dem Namen stand die fachliche und persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden künftig vermehrt und fokussiert im Vordergrund. Diese Aktivitäten standen wiederum in Zusammenhang mit einer der Haupttätigkeiten des HR-Leiters: durch gezielte Massnahmen die Führungsspitze in der Implementierung einer motivierenden Unternehmenskultur zu unterstützen.
40 Jahre später kann man anhand der Organigramme erkennen, dass diese Grundstruktur im Aufbau eines HR in vielen Firmen noch immer vorhanden ist. Der Blick in die Praxis allerdings, zeigt ein anderes Bild. Vielfach ist das HR irgendwo in den Zuständigkeitsbereich vom «Technischen Dienst» oder den «Finanzen» abgerutscht. Für viele CEOs scheint die ursprüngliche Kernaufgabe nicht mehr relevant. Ähnlich ist das Image der HR-Verantwortlichen: personalrechtliche Administration, Salärapplikationen, Digitalisierung – von der Rekrutierung bis hin zum Arbeitszeugnis –, «Diversity», Aus- und Weiterbildung, Gesundheitsmanagement, «Employer Branding»… Um es auf den Punkt zu bringen: Viele HR-Abteilungen sind heute nicht mehr und nicht weniger als ein Gemischtwarenladen, mehrheitlich geführt von Menschen entweder mit einem juristischen Background oder einer Ausbildung im Finanzbereich.
Ohne dieser Berufsgruppe in irgendeiner Weise die Kompetenz für Kultur und Entwicklung abzusprechen, ist dies aber Zeichen dafür, wo das Bedürfnis, die Kernkompetenzen im heutigen HR zu finden sind. Ein HR-Verantwortlicher erzählte mir kürzlich: «Aus meiner Sicht ist es eigentlich egal ist, in welchem Unternehmen ich arbeite. Auf meine Aufgaben hat es keinen Einfluss!» Die Kultur eines Industriebetriebes und einer Firma im Dienstleistungsbereich kann man also gleichsetzen? Ich war über diese Schlussfolgerung erstaunt. Wie anders holt sich die HR-Abteilung ihre Glaubwürdigkeit und Wertschätzung als durch das Verständnis dessen, was an der Basis passiert? Und was geschieht da zum Beispiel im Moment während der Corona-Zeit?
Arbeitsformen- und Modelle, die Digitalisierung: Vieles ist aktuell im Um- respektive Aufbruch. Doch nebst allem Sichtbaren ist auch wahrzunehmen, dass diese Veränderungen an einigen Mitarbeitenden nicht spurlos vorbeigehen. Da sind jene, die bei dem Tempo kaum mithalten können, die sich dem «Change» entgegensetzen, verängstigte Arbeitskollegen als mögliche Virenträger und somit Feinde betrachten. Andere wiederum gehen gestärkt aus der Krise hervor, blicken vertrauensvoll in die Zukunft, begrüssen die neuen Herausforderungen und sind motiviert, die Erfahrung der letzten Monate in den künftigen Arbeitsalltag zu integrieren.
Hat all dies keine Auswirkungen und Konsequenzen auf die Kultur im Unternehmen? Geht nach diesen Turbulenzen alles so weiter wie bisher? Krisen haben immer auch etwas Klärendes, sie decken auf und fordern heraus – auch zu Veränderungen. Ohne zu zögern würde ich heute jedem CEO nahelegen, die Organisation seiner HR-Abteilung zu überprüfen, den Gemischtwarenladen zu entschlacken und das klassische HR neu mit dem Schwerpunkt Mensch und Kultur zu positionieren. Vieles kommt noch auf uns zu, vieles ist noch nicht ausgestanden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass in Zukunft vermehrt HR-Verantwortliche notwendig sind, welche die Basis verstehen, den Menschen kennen und die Fähigkeit besitzen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, die eigene Persönlichkeit nicht nur zu stärken, sondern auch zu entwickeln.
Wann verlangen Sie als HR einen Termin bei Ihrem CEO?
Viele HR-Abteilungen sind heute nicht mehr und nicht weniger als ein Gemischtwarenladen? Kritische Aussagen, die zum Teil berechtigt sein mögen. Andererseits benötigt das HR derart viele und unterschiedliche Kompetenzen und Anforderungen (Marketing, Digitalisierung, Personalentwicklung, Psychologie, Business-Involvement usw.) dass ein gewisser Gemischtwarenladen zwangsläufig auch eine Auswirkung dieses Sachverhaltes ist.
Liebe/r Verfasser/in
Diese Feststellung betrachte ich als absolut richtig, umso mehr sollte man sich überlegen, wo welches notwendige Wissen gebündelt wird. Im Moment scheint es vielerorts so, dass einfach verschiedenste Themen aufeinander gestapelt werden. Dies ohne sich im Klaren zu sein, ob die entsprechende Kompetenz überhaupt vorhanden ist.
Beste Grüsse, Markus Marthaler
Liebe Kollegen
Besten Dank für Eure Kommentare. Es gibt also noch viel zu tun. :-)
Liebe Grüsse
Markus
Danke für diesen Beitrag Markus. Er zeigt wie hoch der Veränderungsbedarf ist, wo Veränderung gesteuert werden sollte: im HR. Soviel ist klar: In unsicheren Zeiten wird die Unternehmenskultur (noch mehr) zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Haben wir Führungskräfte und Mitarbeitende, die bereit sind in ungewöhnlichen Zeiten ungewöhnliche Massnahmen zu tragen, für einander da zu sein, oder schaut jeder für sich? Ich empfehle jeder HR-Abteilung die anstehenden Veränderungen aktiv in die Hand zu nehmen – bevor es jemand anderes tut.
Hallo Christoph
Ich arbeite seit 20 Jahren im HR-Bereich, auch der Stufe Geschäftsleitung, und teile Deine Ansicht absolut. Den Anspruch «geltend» zu machen, dass HR eine aktive Veränderungsrolle haben soll, ist meine Überzeugung. Dennoch braucht HR die Unterstützung von Bottom-up. Heisst: Führungskräfte und Mitarbeitende sollen HR als Sparring-Partner sehen und nicht mehr als Polizist. Die aktuelle Ausgangslage dafür, ist interessanter und herausfordernder denn je. Deshalb habe ich beschlossen, mich selbständig zu machen um u.a. auf diese Situation – als «Externer» – hinweisen zu können und Kunden, die HR als Sparring-Partner wollen, zu unterstützen und diesen Weg auch umzusetzen.