Wie Organisationen sicherstellen können, dass der Rollenwechsel zum Team-Coach gelingt – und auf welche Stolpersteine man Acht geben muss.
Eben waren sie noch Teammitglieder im Labor für Biotechnologie, schon stehen sie auf der Showbühne als Gastgebende für Retrospektiven ihrer Teams. Dabei gilt es Rollenklarheit zu finden zwischen Team-Coach, Linienmanager und Assay-Owner, um agiles Arbeiten und schnelle Entwicklungen zu unterstützen. Der folgende Beitrag zeigt, welche Stolpersteine beim Rollenwechsel von Teammitgliedern zu Team-Coaches im SAFe-Umfeld zu beachten sind und wie HR erfolgreich unterstützen kann.
Assay-Entwicklung in der Molekularbiologie bezieht sich auf eine systematische, iterative Entwicklung von standardisierten Testverfahren, die messen ob gewisse biologische oder chemische Reaktionen stattfinden. So muss ein Corona-Test zuverlässig erkennen, ob das Virus vorhanden ist.
SAFe (Scaled Agile Framework) bezeichnet ein Organisationskonzept, das hilft Agilität in komplexen, grossen Strukturen umzusetzen. Es verbindet Teamarbeit, Programmsteuerung und strategische Ausrichtung, damit viele Teams gemeinsam strukturiert und abgestimmt an einem Produkt – etwa an einem Assay – arbeiten können. Forschungsteams die Corona-Tests entwickeln arbeiten so.
Wenn Labor-Expertinnen zu Team-Coaches ernannt werden, können im Unternehmen stille, jedoch folgenreiche Spannungen entstehen. Viele dieser neuen Coaches kommen aus der Assay-Entwicklung, waren zentrale Fachpersonen in ihren Teams und sollen jetzt führen, moderieren und befähigen ohne fachliche Lösungen vorzugeben. Das alles oft, bevor sie selbst ihre neue Rolle geklärt haben oder ihnen die Organisation die genauen Erwartungen mitteilt.
Für HR- und Führungskräfte ist das eine kritische Phase. Denn genau hier entscheidet sich, ob agiles Coaching zum strategischen Hebel wird, oder doch nur eine gut gemeinte Idee bleibt, durch welche jedoch Ressourcen, Innovationskraft und zentrales Personal verschwendet werden.
Was macht die Rollenveränderung der Team-Coaches so schwierig?
Das Dilemma der frischen Team-Coaches liegt darin, dass sie zuvor Teammitglieder im Labor waren und neu dort nur noch reduziert oder nicht mehr anpacken. Sie haben jetzt andere Aufgaben und das Team fragt sich, was die eigentlich den ganzen Tag machen, wenn man sie nicht mehr an den Laborgeräten sieht. Dazu kommt, dass die Team-Coaches genau wie die anderen Teammitglieder im Labor die Assays, Prozesse und Fallstricke sehr gut kennen, in der neuen Rolle jedoch keine Lösungen mehr vorgeben sollen.
Daraus ergeben sich mögliche Stolperfallen. Arbeiten die Team Coaches zu fachlich, dann bleibt das Team abhängig und kann zu wenig Selbständigkeit entwickeln. Arbeiten sie zu stark als Coaches, dann fühlt sich das Team im Stich gelassen und verliert dringend benötigte Hände bei der technischen Arbeit im Labor. Arbeiten sie jedoch zu stark an Führungsthemen, dann geraten sie in Konflikt mit den Linienmanagern. Daraus ergeben sich Unsicherheiten, Überforderung und Konflikte zwischen den Beteiligten, was auch die Weiterentwicklung der Teams beeinträchtigt.
Was muss HR tun, um die Team-Coaches zu stärken?
Es braucht einen Identitätswechsel, wobei die neuen Team-Coaches von Macherinnen im operativen technischen Geschäft zu Ermöglicherinnen für das Team werden. Das ist psychologisch anspruchsvoll, wird als wichtiger Schritt oft unterschätzt und HR muss den Unterstützungsbedarf daher frühzeitig erkennen.
Die frischen Team-Coaches müssen sich von den Linienmanagern abgrenzen. Diese sind immer noch ihre Vorgesetzte und nun muss geklärt werden, wer neu für die Messung der Leistung, für Entwicklungsfragen und bei Konflikten im Team zuständig ist. Viele Coaches rutschen dabei in Managementaufgaben, die nicht ihrer Rolle zugedacht sind oder sie müssen mit den Managern erst um einen Zugang zu ihren neuen Aufgaben ringen.
In der Rollenklärung muss HR sicherstellen, dass die drei unterschiedlichen Rollen der Team-Coaches, der Linienmanager sowie der Assay-Owner als fachliche Leitung klar voneinander abgegrenzt sind. Die Team-Coaches sind verantwortlich für die agile Methodik, Reflexionsprozesse im Team und die Zusammenarbeit. Linienmanager tragen die Verantwortung für Personalfragen, individuelle Entwicklung und Leistungsfeedbacks. Und die fachlichen Leitungen kümmern sich schliesslich um die Qualität der Assays mit allen technischen Fragen und Entscheidungen.
Team-Coaches müssen mehr echte Coaching-Kompetenzen erwerben
In vielen Trainings zu agilen Methoden und Frameworks werden zu wenig echte Coaching-Kompetenzen vermittelt. Damit die neuen Team-Coaches erfolgreich sein können, müssen sie jedoch ihren methodischen Werkzeugkoffer erweitern. Dazu gehören Fragetechniken, Konfliktmoderation und Ansätze der psychologischen Sicherheit, um mit Widerständen und Gruppendynamiken umgehen zu können. Kurz, sie müssen lernen zu führen ohne formale Autorität und ohne disziplinarische Macht zu haben.
Dabei sollten ihnen erfahrene interne oder externe Mentor-Coaches zur Seite stehen, um den erfolgreichen Rollenwechsel zu beschleunigen. Mit diesen können sie ihre Herausforderungen reflektieren, das eigene Rollenverständnis klären und zielführende Verhaltensweisen entwickeln. HR ist dabei das entscheidende Bindeglied und behält Menschen, Struktur und Kultur im Überblick.
Folgende Frage unterstützen HR dabei, die Team-Coaches zu stärken:
- Wo stehen die Coaches in der Rollenklärung und wo rutschen sie in falsche Rollen?
- Von welchen Führungskräften werden sie gefördert, wo blockiert oder überfordert?
- Erhalten die Coaches genügend Unterstützung (Mentoring, Supervision)?
- Welche organisationalen Strukturen behindern echtes Coaching?
