Es waren einmal drei Prinzen, die lebten im Königreich ihrer Eltern in Serendip, dem heutigen Sri Lanka. Und weil gute Märchen Drama brauchen, schicke der Vater sie in die weite Welt hinaus, wo sie vor grosse Prüfungen gestellt wurden, die sie natürlich alle mit Bravour lösten. Doch was zeichnete diese unerschrockenen jungen Männer, die heute Bezos, Musk und Zuckerberg heissen würden, aus? Sie waren nicht nur schlau, sondern sie wussten auch glückliche Zufälle gezielt zu nutzen. Auch wenn die Management Summary dieses persischen Märchens etwas unromantisch daherkommt, so haben wir den drei Prinzen viel zu verdanken: den Begriff Serendipity und die Erkenntnis, dass wir viele wichtigen Entdeckungen dem Zufall verdanken.
Penicillin, Viagra und Amerika – sie alle wurden durch Zufall entdeckt. Aus Sicht des Innovationsmanagements bedeutet dies zum einen, dass Organisationen Fehler nicht nur tolerieren, sondern zelebrieren sollten (wie etwa Ben&Jerry’s mit dem Friedhof der gefloppten Geschmacksrichtungen). Zum andern stellt sich die Frage, wie wir die Wahrscheinlichkeit von zufälligen Entdeckungen gezielt erhöhen können. Der renommierte Organisationspsychologe und Kreativitätsforscher Peter Kruse hat darauf hingewiesen, dass es bei Kreativität und Innovation immer nur um indirekte Einflussmöglichkeiten geht, weil wir beides nicht direkt nicht steuern können. Seine Lösung? Wir müssen die Unterschiedlichkeit im System erhöhen und so gezielt Störungen erzeugen. Diversity Management ist eine Antwort darauf – damit können wir sicherstellen, dass innerhalb der eigenen Organisation täglich verschiedene Perspektiven analysiert und integriert werden müssen. Eine andere pragmatische Antwort wäre etwa eine «leading edge»-Kaffeemaschine oder Zonen im Büro, die das zufällige Aneinanderprallen fördern (zur Finanzierung der Kaffeemaschine könnte man ja zum Beispiel die Stempeluhr auf Ricardo verticken).
Wäre es nun aber nicht spannend, wenn sich an dieser Kaffeemaschine nicht nur interne, sondern auch externe Serendipity-Prinzen und -Prinzessinnen treffen würden und so das «Störpotential» maximiert wäre? Bereits in den 80er Jahren hat der MIT Ökonom Eric von Hippel den Paradigmen-Wechsel von Producer Innovation (der Elfenbeinturm ist innerhalb der Organisation) zu User Innovation (der Kunde denkt mit) proklamiert. Doch mit der jährlichen Fokusgruppe, dem Start-up Camp, an welchem primär erfolglose Start-ups teilnehmen sowie dem zu Bürozeiten bedienten Twitter Kanal ist es leider noch nicht getan mit der Öffnung, dem Dialog oder gar der Co-Creation.
Würde man das persische Märchen fast 1000 Jahre später updaten, so wäre das Happy End, dass die drei Brüder, inzwischen bärtig und tätowiert, eine weltweite Coworking-Kette gründeten und so das Wunder von Serendip als Exportschlager verewigten. Auch wenn Coworking oft lediglich als eine Ausprägung der Sharing Economy verstanden wird, so ist nicht der Aspekt «Office as a Service» das spannende Element, sondern die Tatsache, dass Coworking eine Plattform für zufällige Begegnungen und Entdeckungen bietet, die erst noch frei ist von Firmenpolitik (und Stempeluhren). Chris Messinas, Co-Founder des Citizen Space in Detroit, bezeichnete Coworking Spaces bereits 2008 als Orte der «accelerated serendipity».
Auch wenn die Bewegung Coworking vor rund 12 Jahren ursprünglich von Startups und Freelancern ins Leben gerufen und weiterentwickelt wurde, so ist sie auch für Firmen hochinteressant aus Sicht des betrieblichen Innovationsmanagements. Damit Coworking aber auch mehr ist als ein neuer Arbeitsort, ist es wichtig, dass die Organisation auf die neu gerufenen Geister vorbereitet ist. Konkret:
- Vertrauen und Wertschätzung: Wilde Ideen können nur auf fruchtbaren Boden fallen, wenn man die Ideenlieferanten ernst nimmt, unkompliziert unterstützt sowie Anreize für das Entwickeln und Teilen von Ideen schafft.
- Risikobereitschaft: Ein grosser Erfolg geht einher mit unzähligen Misserfolgen. Mittels Pilotprojekten, Labs und Experimenten kann der Lernprozess beschleunigt werden.
- Netzwerke: Coworking Spaces fördern das physische Kollidieren von Menschen und Ideen, Enterprise Social Netzwerke das virtuelle. Wenn physische und virtuelle Vernetzungsplattformen bestehen und ineinandergreifen, kann aus Ideen Innovation entstehen.
- Aufnahmefähigkeit und Prozesse: Viele Organisationen sind so sehr mit sich selber beschäftigt, dass Ideen gar keine Überlebenschancen haben. Nur wenn transparente partizipative Prozesse zum Weiterentwickeln von Ideen, aber auch zum Abschiessen von misslungenen Projekten bestehen, ist es möglich, freie Ressourcen für neue Themen bereitzustellen.
Welche Nutzenszenarien das Phänomen Coworking Unternehmen konkret bietet und wie sie sich vorbereiten können, zeigt die aktuelle Studie der Universität St. Gallen: «Coworking aus Unternehmenssicht – Serendipity-Biotop oder Fluchtort». Denn: «Der Zufall begünstigt den vorbereiteten Geist» hat Louis Pasteur einst gesagt. Das Gleiche gilt für Organisationen.
Interessanter Artikel danke. Das Buch „Flexible Workforce“ das gerade erschienen ist, beleuchtet eine andere interessante Seite der neuen Arbeitswelt.
«Wenn physische und virtuelle Vernetzungsplattformen bestehen und ineinandergreifen, kann aus Ideen Innovation entstehen.»
Eine neuer Zustand von Intelligenz entsteht: Supraleitung des Gehirns.