Digitale Achtsamkeit – mehr als ein Modethema

Blog Digitalisierung von Joel Luc CachelinDie zunehmend digitale Arbeitswelt birgt Chancen, aber leider auch etliche Risiken für die Arbeitnehmenden. Gründe dafür sind unter anderem die häufigen Unterbrechungen im Arbeitsalltag, die Beschleunigung durch verkürzte Reaktionszeiten, die Entgrenzung von Arbeitsort und- zeit, ein hoher Erfolgsdruck sowie die Verführung zum Multitasking.

Die digitalen Belastungen können zur Folge haben, dass wir weniger kreativ, weniger effizient und weniger konzentriert sind. Zudem lauern Gefahren für unsere psychische Gesundheit. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Herausforderung für die Gesellschaft. Absenzen kosten Arbeitgeber jährlich viel Geld. Um diesem Trend entgegenzuwirken, müssen sich Unternehmen zu digital achtsamen Arbeitgeber entwickeln und neue Technologien bewusst in ihre Arbeitswelten einführen.

Warum gerade jetzt?

Die vielleicht spannendste Frage zur digitalen Achtsamkeit für Beobachterinnen und Beobachter wie mich, ist jene nach der zeitlichen Dringlichkeit. Warum poppt das Thema jetzt auf beziehungsweise warum sprachen wir nicht schon vor 15 Jahren darüber, als die ersten Smartphones in Umlauf kamen?

Der offensichtliche Grund für die Verzögerung sind die Nebenwirkungen der Covid-19-Pandemie. Unternehmen investierten stark in ihre digitalen Arbeitsumgebungen. Das Arbeiten zu Hause und in Videocalls wurde zur neuen Selbstverständlichkeit. Entsprechend verbringen wir alle viel mehr Zeit vor Bildschirmen. Die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeitszeit sowie zwischen Freizeitorten und Arbeitsorten sind flüchtig geworden.
– Ein zweiter Grund könnten die neuen «Schatten» der digitalen Welt sein. Vermutlich fürchten sich heute mehr Menschen als vor fünf Jahren davor, dass KI ihren Job übernehmen könnte oder sich Fake News via Soziale Medien und Programme wie Chat GPT unkontrolliert vermehren.
– Ein ganz anderer Grund könnte sein, dass wir heute zu viel Zeit in Abstimmungsprozessen verbringen. Ich bin sicher: Wir arbeiten heute zu viel in Teamkonstellationen und verschwenden zu viel Zeit mit Brainstormings, Workshops, Sitzungen und Designthink. Aus Sicht der digitalen Achtsamkeit ist das deshalb problematisch, weil jede neue Schnittstelle mehr Kommunikation, Administration, potenzielle Konflikte und Dokumente mit sich bringt.

Digital achtsame Unternehmen

Wie könnte das Zielbild aussehen?
Digital achtsam Unternehmen sind sich der Vor- und Nachteile ihrer hybriden Arbeitswelten bewusst. Zu diesen gehören Hardware, Software, Datensätze, Kommunikationsplattformen, Online-Sitzungen, soziale Medien, E-Mails und Teams. Alle diese Hilfsmittel erleichtern den Arbeitsalltag, gehen aber auch mit Gefahren und der Notwendigkeit des Erwerbs von neuen Fähigkeiten einher.

Digital achtsame Organisationen adressieren die Vorzüge des Hybriden genauso wie die «Schattenwelt» der Digitalisierung. Sie machen Themen wie den Digital Divide, die Beschleunigung, Mobbing, FOMO (Fear Of Missing Out), Verlust der zufälligen Idee und Always On unternehmensweit zum Thema. Digitale Achtsamkeit ist also mehr als ein BGM-Thema, weil es auch um das Lernen über eine digitale Zukunft, um das persönliche Wissensmanagement oder um einen sinnvollen Einsatz von KI in die Arbeitsprozesse geht.

In der digital achtsamen Organisation arbeiten digital achtsame Mitarbeitende. Sie profitieren von den Möglichkeiten digitaler Hilfsmittel, nutzen diese bewusst und tauschen sich über negative Entwicklungen und Risiken aus. Das stärkt die Selbstreflexion und sichert die Leistungsfähigkeit dank genügend Energie und Gelassenheit. Weil sich digitale Hilfsmittel nicht an zeitliche und räumliche Grenzen halten, setzen die Mitarbeitenden aktiv Schranken.

Die digitale Achtsamkeit der Mitarbeitenden wirkt sich positiv auf das ganze Unternehmen aus. Die organisationale Energie wird erhöht, es gibt weniger Abwesenheiten und Krankheitsausfälle. Die Strukturen ändern sich so, dass Mitarbeitenden genügend Zeit haben, um in die Tiefe von Themen vorzudringen, was sich positiv auf die Präzision von Lösungen und die Innovationskraft auswirkt. Zudem wirken achtsame Mitarbeitende als stabile Elemente von Teams, die beruhigend wirken und so ein „Burnout“ der Organisation verhindern.

Digitale Achtsamkeit stärken

Um digital achtsamer zu agieren, brauchen Organisationen eine Strategie. Diese gibt vor, welche Technologien und Hilfsmittel der Arbeitswelt warum eingesetzt werden. Zudem optimieren sie die Rahmenbedingungen, damit die Mitarbeitenden ihre Ideen, ihre Fähigkeiten, ihre Meinungen und ihre Dokumente optimal austauschen können. Konkret braucht es Überlegungen in vier Themen:

1. Vision der Zukunft

Welche digitalen Zukünfte werden über die Organisation erzählt – und welche Technologien sollen warum in der Arbeitswelt eingesetzt werden (oder eben nicht)?

2. Strukturelle Verankerung

Wie wird die digitale Achtsamkeit in die Entscheidungs-, Bewertungs- und Bildungsstrukturen eingebaut?

3. Individuelle Praxis

Welche Angebote und Werkezeuge erhalten Mitarbeitende, um ihre digitale Achtsamkeit zu stärken im Alltag zu verankern?

4. Design der hybriden Arbeitswelt

Wie sieht die Architektur der digitalen und analogen Arbeitswelt aus – und welche Spielregeln gibt es, um sie anzuwenden und sich anzueignen?

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