Die Menschen in unserer Gesellschaft werden tendenziell älter und bleiben länger gesund. Trotzdem halten sich die negativen Bilder über das Älterwerden hartnäckig in den Köpfen. Dazu gehört auch, dass Ältere weniger leistungsfähig sind.
Frauen und Männer werden heute im Durchschnitt nicht nur älter als vor einigen Jahrzehnten, sie verbringen ihre Lebensjahre vermehrt auch gesund und aktiv. Dieses Phänomen der «soziokulturellen Verjüngung des Alters» bedeutet auch, dass Ältere ein deutlich jüngeres Verhalten zeigen: Sport, Bildung oder Sexualität waren früher tabu, gehören heute jedoch zum «erfolgreichen» Altern.
Altern ist ein sehr individueller Vorgang, der, je nach Mensch, unterschiedlich abläuft. Dabei muss das biologische Alter nicht unbedingt dem chronologischen entsprechen. Oder anders gesagt: Wer ein Leben lang Sport getrieben hat, ist mit sechzig unter Umständen fitter als ein untrainierter Dreissigjähriger. Gerade, was die Leistungsfähigkeit anbelangt, sind die Unterschiede innerhalb einer Altersgruppe grösser als zwischen den Altersgruppen.
Altersbilder sind eher defizitorientiert
Auch wenn sich das Altern verändert hat, sind die Altersbilder vieler Führungskräfte, Personalverantwortlicher und Arbeitnehmender eher defizitorientiert. So seien ältere Mitarbeitende weniger leistungsfähig, unqualifizierter, unmotivierter, weniger lernbereit und lernfähig, ablehnend gegenüber neuen Technologien, unflexibel, weniger innovationsfähig, häufiger krank und hätten allgemein mehr Fehlzeiten.
Zahlreiche empirische Untersuchungen zur beruflichen Leistungsfähigkeit haben jedoch ergeben, dass zwischen der Arbeitsleistung älterer und jüngerer Arbeitnehmender keine grossen Unterschiede bestehen, wenn man das Arbeitsergebnis als Massstab nimmt. Zwar nehmen manche physiologischen Einzelfunktionen – beispielsweise Muskel- und Sehkraft, Kontrastempfindlichkeit oder Hörvermögen – altersbedingt ab, im Berufsalltag spielen sie jedoch vielfach eine untergeordnete Rolle.
Zudem können diese Einbussen kompensiert werden, etwa durch ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, ausreichende Beleuchtung oder durch Erfahrung. Auch wenn die körperlichen Kräfte mit zunehmendem Lebensalter nachlassen, reichen sie für die meisten beruflichen Tätigkeiten problemlos aus.
Qualitative Veränderung der Leistungsfähigkeit
Der Alterungsprozess hat bis ins sechste Lebensjahrzehnt keinen grundsätzlich negativen Einfluss auf das berufliche Leistungsvermögen. Obwohl natürlich individuelle und erwerbsverlaufsbezogene Risiken – etwa einseitige körperliche Belastung – zu Einsatzbeschränkungen und mangelnde Beschäftigungsfähigkeit führen können. Vielmehr findet im Alter eine «qualitative Veränderung» der beruflichen Leistungsfähigkeit statt. Das heisst, es kommt zu Einbussen wie einer langsameren Auffassung und einer möglichen verzögerten Reaktionsfähigkeit.
Ältere Arbeitnehmende können jedoch von ihrem Allgemeinwissen, ihrem berufsspezifischen Wissen und ihrer Sprachkompetenz profitieren – der Zugang zu erworbenem Wissen wird durch Erfahrung effektiver. Viele Arbeitgeber zählen zudem eine hohe Arbeitsmoral, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbereitschaft und Gewissenhaftigkeit, eine starke Identifikation mit dem Unternehmen, Teamorientierung, sowie umfangreiche gesellschaftliche Kontakte zu den positiven Eigenschaften älterer Arbeitnehmenden.
Studien über die Anzahl Krankmeldungen zeigen übrigens, dass diese über alle Altersgruppen hinweg stabil bleibt, die Anzahl der Krankheitstage jedoch mit dem Alter zunimmt. Letzteres ist darauf zurückzuführen, dass ältere Mitarbeitende länger als Jüngere benötigen, um sich wieder zu erholen.
Rahmenbedingungen beeinflussen das Innovationspotenzial
Zusammengefasst lassen sich nebst den aufgeführten Abbautendenzen auch positive Faktoren festhalten: Der Altersgruppe «50plus» kann durchaus Innovationspotenzial zugesprochen werden. Dazu braucht es aber entsprechende Rahmenbedingungen. Positive Auswirkungen haben unter anderem eine innovative, autonome Arbeitsgestaltung, eine entsprechende Lernkultur, die Wertschätzung der Persönlichkeit in der jeweiligen Entwicklungsphase und ein gesundheitsbewusstes Verhalten der Arbeitnehmenden selber.
An dieser Stelle seien einige alterskritische Arbeitsanforderungen erwähnt: Körperlich einseitige und anstrengende Arbeiten, Umgebungsbelastungen wie Hitze, Lärm und Beleuchtung, starre Leistungsvorgaben wie Zeitdruck und Taktarbeit, Schicht- und Nachtarbeit – insbesondere im Wechsel – sowie hohe psychische Belastungen wie Daueraufmerksamkeit und soziale Isolation.
Fazit: Ein differenziertes Altersbild müsste sowohl positive Zuschreibungen von Eigenschaften, als auch kritische Punkte enthalten. Dabei ist wichtig, dass Ältere nicht mehr oder weniger leistungsfähig sind, sondern unter bestimmten Bedingungen – die ihre Stärken und Schwächen berücksichtigen – eine andere Art von Leistungsfähigkeit entwickeln können.
Anmerkung: Unter der Leistungsfähigkeit wird die kognitive oder psychische und physische Basis für Handlungen verstanden.
Vielen Dank für den tollen Bericht! Ich selber bin 60, dipl. Personalleiterin NDS HF mit viel Erfahrung und breiten Fachwissen und auf der Suche einer neuen Herausforderung!
Leider hat das Umdenken in den Köpfen vieler HR- und Führungsverantwortlichen noch nicht stattgefunden.
Umso wichtiger sind Beiträge um auf die positiven Eigenschaften von älteren Mitarbeitenden aufmerksam zu machen.
Ich selber bezeichne mich als agile, flexible, interessierte und wissbegierige HR Fachperson und entspreche sicher nicht dem gängigen Klischee.
Ich bin 57, von Verantwortung und Organisation begeistert und habe mehr Power wie manch jüngerer!
Trotzdem habe ich 2018 die Erfahrung gemacht, dass man mir des öfteren Überqualifizierung attestiert hat, ohne dieses in einem persönliches Gespräch zu erheben.
Wir stellen regelmässig ältere Mitarbeitende ein und machen durchwegs positive Erfahrungen. Sie sind leistungsfähig, motiviert und engagiert.
Darf man wissen über welches Unternehmen sie schreiben? Das wäre doch ein guter Imagepunkt für das Unternehmen.