Mitten im Strategieherbst stellt sich die Frage: Wie zukunftsfähig ist die HR-Strategie? KI verdichtet Arbeit, verändert Karrieren und fordert neue Formen von Gesundheit im Büro. Fünf Beobachtungen zeigen, wo HR in der nächsten Strategieperiode Mehrwerte bringen kann.
Es ist eindeutig Herbst geworden – und das heisst in vielen Unternehmen: Strategiearbeit. Es werden Ziele für die nächsten Jahre gefasst, vielleicht sogar die Eckpunkte der Strategieperiode bis 2030 definiert. Ist der Auftakt ins zweite Viertel des 21. Jahrhunderts nicht ein guter Zeitpunkt, um die HR-Strategie zu überprüfen? In diesem Beitrag zeige ich fünf Themen auf, bei denen Unternehmen aus HR-Sicht eine Antwort finden sollten. Wenig überraschend sind einige Punkte mit KI verknüpft.
1. Workslop
Die KI-Transformation der Arbeitswelt wird weitergehen – allerdings eher als Evolution denn als Revolution. Wie schon in der digitalen Transformation entstehen neue Instrumente, die Unternehmen so intelligent wie möglich einsetzen wollen. Früher waren es Suchmaschinen, Wikis und Social Media, jetzt sind es durch generative KI Analyse, Text- und Bildfabriken. Vielleicht liegt die grosse Herausforderung aber gar nicht in zu wenig, sondern in zu viel KI.
HR kann einem «verstopfenden» Workslop entgegenwirken, indem es eine breite Diskussion über den sinnvollen und kritischen Einsatz von KI moderiert – und Mitarbeitende dazu befähigt, Wissen gezielter und sparsamer zu teilen.
2. Company of One
KI führt dazu, dass wir viele Aufgaben selbst übernehmen können, die früher an Spezialistinnen und Spezialisten delegiert wurden – etwa in der Daten- und Marktanalyse, beim Übersetzen und Lektorieren, in der Produktentwicklung oder in der Buchhaltung. Auch Teile meines Berufes als Zukunftsforschers lassen sich an KI-Systeme delegieren. Durch KI werden sehr gute Mitarbeitende zu Supermitarbeitenden, die als «Company of One» einen Grossteil der Wissensarbeit eines Unternehmens alleine abdecken können.
Sollte HR solche Star-Mitarbeitenden besonders fördern – oder den Rhythmus bewusst entschleunigen, um Überlastung und Ungleichgewicht zu vermeiden? Und weiss HR überhaupt, welche Rollen sich bereits verändert haben und welche sich künftig am stärksten wandeln werden?
3. Healing Office
In vielen Wissensunternehmen führt KI dazu – oder hat bereits dazu geführt –, dass Arbeit dichter wird. Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Erwartungen steigen. Mit Unterstützung von KI können Wissensarbeitende deutlich mehr Informationen verarbeiten als früher. Umso wichtiger ist eine Arbeitsumgebung, die gesund hält. Aber ein Büro nur unter den klassischen Aspekten des Gesundheitsmanagements zu betrachten – etwa Ernährung, Ergonomie und Bewegung – reicht nicht mehr.
Die neuen Disziplinen und möglichen Interventionen für HR heissen Materialität, Biophilie und Mikrobiom. Durch natürliche Materialien, Formen und Farben sowie durch den Zugang zur Natur werden Mitarbeitende nicht nur inspiriert – es werden auch Einflüsse reduziert, die Allergien, Asthma oder Autoimmunkrankheiten verstärken können.
4. Neue Biografien
Ich gehöre zur Generation Y – jener Generation, der man einst zuschrieb, die Arbeitswelt grundlegend zu verändern. Nun, auf dem Hochplateau der Lebensmitte angekommen (Barbara Bleisch), stelle ich fest: Das ist nur halb gelungen. Umgekehrt werden wir wohl die erste Generation der Moderne, in der die meisten zwei Berufsbiografien in einem Leben vereinen. Kaum jemand aus der Generation Y wird am Ende seiner Laufbahn denselben Beruf wie an deren Anfang. Gerade für grössere Unternehmen heisst das, in Biografieberatende und -designer zu investieren, die Entwicklungswege jenseits stereotypischer Karriereverläufe entlang der Hierarchietreppen. Apropos: Die Vertreter und Vertreterinnen der Generation Y mit klassischem Karrierewunsch klopfen jetzt an die Türen der Geschäftsleitungen. Und wenn sie nicht hineinkommen, werden sie gehen. Kann HR helfen, diesen Generationenwechsel aktiv zu gestalten?
5. Innovation als Exnovation
In der aktuellen politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Lage braucht es mehr Strategiearbeit, die darauf abzielt Dinge nicht mehr zu tun. In guten Zeiten braucht es Innovationen und in schlechten Exnovationen. Die Gegenspielerin der Innovation verlangt die Dinge zu stoppen, die sich nicht rentieren, die nicht funktionieren, nicht in eine digitale Zukunft und ökologisch unerträglich sind.
Wer exnovieren will, entschlankt. Man wählt HR-Prozesse, HR-Produkte, HR-Routinen und HR-Sitzungen zahlenbasiert aus, die man aussortieren will – und macht dadurch natürlich auch Platz für wirklich neues.
