ü50 – ich mache mir Sorgen

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Ich darf. Jetzt sogar ganz offiziell. Ich gehöre zum Club und habe nun auch die alterstechnische Legitimation, mich zum schon oft diskutierten Thema zu äussern. Beschäftigen tut’s mich indes schon lange…

Einen ersten Eindruck davon, «wie’s denn sein könnte», erhielt ich schon bald nach meinem 40. Geburtstag, als die Kontaktanfragen von Headhuntern auf Xing rasch abnahmen – komisch. Denn immerhin stiegen ja meine Kompetenz und Erfahrung. Und auch meine Karriere machte Fortschritte.

Ich lese viel zum Thema. In Zeitungen, Blogs, Studien, Arbeitsmarktinfos und Interviews. Ich beobachte ebenso viel. Dank meines Jobs komme ich in Kontakt mit vielen Unternehmen. Und in meinem persönlichen Umfeld wird diskutiert, viel diskutiert.

Meine Schlussfolgerung: Nein, ich bin nicht so optimistisch, wie uns das viele Arbeitsmarktexperten, Ökonomen oder Zukunftsforscher weis machen möchten.

Was mich vor allem beschäftigt:

1. Um die klaffenden Lücken unserer Altersversorgung zu stopfen werden wir vermutlich länger arbeiten müssen – so viel wissen wir. Nur: Was denn?

Schon heute haben ü50-Jährige Mühe im Job zu bleiben, geschweige denn, sich einen neuen zu suchen. Die Digitalisierung wird viele Administrations-, Middlemanagement-, Produktions- und Repetitions-Berufe dahinraffen. Gleichzeitig haut die Demographie-Lücke in den nächsten 10 Jahren so richtig rein. Natürlich entstehen viele neue noch unbekannte Berufsbilder. Ich sehe aber nicht, wie die Babyboomer und GenX diese zumeist neuen Anforderungen erfüllen sollen. Umschulen? Für einen kleinen Teil mag das funktionieren. Aber für die Masse? Nein.

Vielleicht sollten Entlassene dereinst in Pflegeberufe zwangsumgeschult werden. Im Ernst: Es wird komplett neue Herangehensweisen benötigen – von der Politik und der Arbeitgeberschaft entworfen und gefördert. Wir können nicht alle selbstständig werden. Ist Ihnen aufgefallen, wie viele Coaches und Neo-Selbständige ü50er es bereits gibt?

2. Wenn man 50 ist und nicht gerade CEO, dann muckt man nicht mehr auf. Auch nicht, wenn man in der Geschäftsleitung ist. Denn damit bietet man Angriffsfläche, um bei der nächsten Reorganisation nach Draussen begleitet zu werden.

Heisst: brav weiterarbeiten und nicht auffallen. Wie soll so Innovationskraft entstehen, wenn keine Reibung da ist? Nur agile Innovationsteams aus dem Boden stampfen und in Start-ups zu investieren wird nicht ausreichen, um Unternehmen in die Zukunft zu führen. Ich kenne wenige Unternehmenskulturen, die einen derart offenen Umgang erlauben. Daran gilt es zu arbeiten. Und zwar in der Führungsspitze.

3. Unternehmen stellen keine ü50 Arbeitskräfte ein.

Ich weiss, das ist sehr pauschal gesprochen. Rekrutierende sind in der Regel zwischen 20 und 30 Jahre jung und erkennen teilweise nicht, welchen Mehrwert diese Kandidaten bringen. Zumal es oft deutlich jüngere Kandidaten gibt, mit interessanten und auf den ersten Blick passenderen Profilen. Und wenn Recruiting – was manchmal durchaus auch der Fall ist – sich für einen älteren Kandidaten einsetzt, blockiert die Linie. Weil ein 35-jähriger Teamleiter halt nicht die Weitsicht hat, von der Erfahrung eines Älteren zu profitieren, sondern eher von eigenen Karriere-Ängsten getrieben ist.

4. Haben Sie in letzter Zeit Stellenanzeigen gelesen? Hoffentlich, denn nur so kriegen Sie mit, dass Altersdiskriminierung nicht offiziell, aber zwischen den Zeilen stattfindet.

In kaum einem Profil findet sich ein ü50er wieder. Es braucht schon viel Selbstvertrauen und Zuversicht, sich zu melden. Zumal man vermutlich durch viele negative Erfahrungen ohnehin entmutigt ist. Nein, die Vakanzen sind nicht für ü50er gedacht. Muss der Arbeitsmarkt tatsächlich erst derart ausgetrocknet sein, dass einem nichts anderes übrigbleibt, als ältere Arbeitskräfte zu engagieren? Oder saugen wir weiterhin einfach den deutschen (und andere) Arbeitsmarkt auf, bis unser «Hunger» gestillt ist?

 

Mir ist bewusst, dass es noch viele weitere Einflussfaktoren gibt. Ältere Mitarbeitende sollten sich konstant weiterbilden, es braucht Karriere-Phaseout-Konzepte und damit verbunden neue Denkhaltungen von Unternehmen und auch Mitarbeitenden. Die unsägliche progressive Steigerung der Pensionskassenbeiträge gehört abgeschafft und vieles mehr.

Ich sehe heute aber nur sehr bescheidene Beiträge von Politik und Unternehmen. Der Druck scheint noch nicht gross genug. Ganz im Gegensatz zur Verunsicherung Betroffener. Und das Verrückte am Ganzen: eigentlich beginnt die Diskussion ja schon bei ca. 45 Jahren.

Welche Erfahrungen machen Sie? Beobachten Sie Ähnliches? Zu welchen Schlüssen kommen Sie? Ich bin sehr gespannt auf Ihre Meinung in den Kommentaren.

51 comments for “ü50 – ich mache mir Sorgen

  1. Carmen De la Cruz
    3. August 2020 um 7:27

    Hallo Michel
    Ich stimme Dir voll und ganz zu. Einen wichtigen Punkt hast Du nicht beleuchtet, der für mich aufgepoppt ist: Wie viel macht meine Einstellung, mein Selbstverständnis, meine Sichtweise aus? Was strahle ich aus?
    Das ist auch das einzige, das ich verändern kann. Und ja, wir stehen nicht mehr da, wo wir vor 20 Jahren standen. Aber nur ich kann dafür kämpfen, dass ich das nicht negativ sehe oder ausstrahle!
    Gruess Carmen

    • 3. August 2020 um 14:46

      Hi Carmen

      Du sprichst einen sehr wichtigen Punkt an. Und ja: dieser ist matchentscheidend. Die eigene Positivität lässt einen strahlen. Sag das aber mal jemandem, der schon unzählige negative Erfahrungen gesammelt hat. Das schlägt auch auf das stärkste Gemüt. Und es sind halt nicht alle Menschen gleich. Aber ja: Die Strategie, wie man langfristig positiv sein und wirken kann, ist der Schlüssel zum Erfolg.

      Liebe Grüsse
      Michel

  2. 5. November 2019 um 9:43

    Ich kämpfe seit 10 Jahren für einen fairen Umgang mit dem Potential erfahrener Menschen. Statt der Symptome müsste man endlich die Hauptursache angehen, den Austausch von 50+ gegen jüngere und günstigere Arbeitskräfte. Solange dieser Vorgang für die Wirtschaft ohne jegliche (finanzielle) Konsequenzen bleibt, wird sich an dieser Abwärts-Spirale nichts ändern. Der Beginn der Altersarmut fängt mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes ab 45 an, weil man u.a. durch die PK-Sätze «zu teuer» wird.

  3. 5. November 2019 um 7:22

    Tia liebe Leute
    Mein Mann (64) und ich, 62 Jahre jung, sind leider auch in einer misslichen Lage und arbeitslos in Anführungszeichen. Wir sind beide gekündigt worden im Jahr 2011. Seit 2013 kann ich wieder arbeiten, ca.20% im Monat, durchschnittlicher Verdienst: 700.- brutto. Mein Mann bekam 2013 ebenfalls eine neue Stelle, Vollzeit, Lohn: 4200.-. Nach 3 Jahren wurde im wieder aus sogenannten «wirtschaftlichen Gründen» gekündigt, und fand natürlich keine Stelle mehr. Jetzt ist er zwangspensioniert worden.
    Die Arbeitslosigkeit, nicht ü50 sondern Ü45+, ist schlicht Diskriminierung der älteren Arbeitnehmenden. Die Folgen: Ausgrenzung und sozialer Abstieg. Leider ist es auch so, dass wenn man ausgesteuert wird und keine Perspektive mehr hat, auch die Gesundheit darunter leidet. Existenzängste finanzieller Art und auf sozialer Ebene sind vorprogrammiert. Arm zu sein in der «reichen Schweiz» ist leider ein Tabuthema. Man zieht sich automatisch zurück, von Freunden und dem sozialen Umfeld, weil man sich schämt, arbeitslos und ausgesteuert zu sein. Durch die Arbeitslosigkeit fehlt vielen das Geld um mit Freunden etwas zu unternehmen oder auch Freunde einzuladen sprich: am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen zu können.
    Es ist menschenunwürdig und diskriminierend, wenn man ab 45+ keinen Job mehr bekommt, nur weil man für die Arbeitgebenden zu teuer ist – wegen den Lohnnebenkosten, sprich BVG.
    Die Älteren werden vom Arbeitsmarkt gedrängt und in die Altersarmut abgeschoben. Wir müssen uns wehren gegen diese Art Politik.

    • 5. November 2019 um 10:55

      Grüezi Frau Hulliger
      Vielen Dank für Ihren Beitrag. Dieser stimmt mich nachdenklich und ist, wie mir viele Kommentierende bestätigen, leider kein Einzelfall. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Mann trotz allem viel Mut und Erfolg bei den nächsten Schritten. Und hoffe, dass Ihnen die Wertschätzung widerfährt, die Sie verdienen.
      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  4. Sabine Kämpfer
    25. September 2019 um 9:29

    Ich musste mit 50 Jahren einen neuen Job suchen – mein Mann mit 55 Jahren. Unsere Erfahrung: es geht, ist aber mit finanziellen Einschränkungen verbunden. Auch hohe Flexibilität ist notwendig, z.B. andere Branche, schlechtere Arbeitsbedingungen. Ich habe nach 2 Jahren zwar wieder meinen alten Lohn, jedoch haben wir uns häufig über unverschämtes Lohndumping geärgert – gefördert von der Arbeitsagentur.
    Ich kann jedem nur raten, mutig zu sein und an sich selbst zu glauben.
    Viele Grüsse, Sabine Kämpfer

  5. Rainer P. Rometsch
    23. September 2019 um 21:59

    1. Um die klaffenden Lücken unserer Altersversorgung zu stopfen, werden wir vermutlich länger arbeiten müssen – so viel wissen wir. Nur: Was denn?
    Länger arbeiten soll doch wer will! Wer Spass hat, vital ist, sowohl geistig und körperlich, soll so lange arbeiten wie die Person es will. Und natürlich auch der Arbeitgeber! Viel wichtiger ist es, dass die Rentenbeiträge von unserer Regierung nicht zweckentfremdet werden.
    Die gesetzliche Altersgrenze macht Sinn. Sie sollte sie kein «muss» sondern ein «kann» sein. In diesem Sinnen, wer will macht weiter!

    2. Wenn man 50 ist und nicht gerade CEO, dann muckt man nicht mehr auf. Auch nicht, wenn man in der Geschäftsleitung ist. Denn damit bietet man Angriffsfläche, um bei der nächsten Reorganisation nach Draussen begleitet zu werden.
    Hey, es wird doch grossartig propagiert: «Wir suchen Dich, den Querdenker, den Andersdenker, den unpopulären Wegbereiter, den Innovator, das kreative Genie, den Superhelden!» Oder hab ich da etwas nicht ganz genau mitbekommen?
    Und wenn man 50 oder darüber ist, oder bspw. CEO, dann sollte man trotz allem seine Meinung vertreten. Natürlich vielleicht nicht ganz so direkt. Diplomatisch geht ebenfalls sehr gut und beweist, dass man der Rhetorik und der Kommunikation gar mächtig ist.
    Und ein Job ohne Reibung, ist so langweilig wie die zweite Geisterbahnfahrt auf der Kirmes!

    3. Unternehmen stellen keine ü50 Arbeitskräfte ein.
    Ihrer Beschreibung Herr Ganouchi stimme ich zu. Viele junge Recruiter*innen können den Mehrwert eines Ü45 und darüber gar nicht auf den ersten Blick einschätzen. Wer nur klassische gradlinige Karrierelaufbahnen vor Augen hat, oder den eigenen studialen Weg betrachtet, kann mit Patchwork-Karrieren nur bedingt etwas anfangen.
    Ich für meinen Teil erlebe gerade das Gegenteil. Die Recruiter*innen haben mich seit kurzem entdeckt. Hineindeuten will ich da noch nicht zu viel. Auf die Angebote bin ich gespannt. Interessante Recruiting-Gespräche hatte ich schon. Jetzt gilt es, das was das Unternehmen sucht mit mir, der weiss was er will und auch nicht will zusammen zu bringen. Mal schauen ob das Matching passt.
    Ich habe schon oft davon gesprochen dass die Unternehmen die Ü45 und darüber, noch händeringend bitten werden, am aktiven Arbeitsprozess teilzunehmen.
    Vielleicht trifft mein unerschütterliches und positives Mind-Set jetzt genau auf diesen Nährboden. Und ich muss nicht zum Arzt, weil ich Visionen habe.

    4. Haben Sie in letzter Zeit Stellenanzeigen gelesen? Hoffentlich, denn nur so kriegen Sie mit, dass Altersdiskriminierung nicht offiziell, aber zwischen den Zeilen stattfindet.
    Ich stelle mal die These auf, das die nächsten 10-15 Jahre ein wahres Schlaraffenland für Arbeitsnehmer und Arbeitnehmerinnen werden wird bzw. dies schon teilweise ist.
    Aus einigen Gesprächen mit Personalern weiss ich, das Unternehmen massiv im Ausland nach Bewerber*innen suchen und um diese werben. Leider mit nur sehr, sehr geringem Erfolg.

    Weiterbildung ist ein Erfolgsgarant für (Wieder-)Beschäftigung. Das sollten alle Altersklassen verinnerlichen. Lernen muss in jedem Alter eine Selbstverständlichkeit sein, wie das atmen.
    Aus meiner Erfahrung kann ich nur sagen, Lernen macht Spass. Vor allem dann, wenn man Ziele hat und weiss wo man ankommen will!

    Was die Politik anbetrifft, da mache ich mir keine Gedanken. Politikern fehlt meiner Meinung nach die Perspektive derer Menschen, die ohne Job sind oder diesen gerade beendet haben bzw. beendet wurde. Politiker*innen sitzen fest im Sattel, egal wie hoch das Pferd springt. Oder haben Sie schon mal eine/n fallen sehen?

    Altersdiskriminierung? Die gibt es sicherlich! Nur keiner spricht darüber. Denn auch bei Einstellungen zählt im Vorfeld die langfristige Gewinnmaximierung basierend auf dem Humankapitalwert eines Mitarbeiters*in.
    Es heisst ja Mathematik lügt nicht! Das stimmt nur bedingt, denn sie kann einen auch blind machen für die echten nicht immer sofort erkennbaren Schätze!
    Dieser Ansatz kann jedoch auch völlig falsch sein. Ältere Mitarbeiter*innen sind gefestigt, bringen – sofern gut aus- und weitergebildet – viel Know-how und Handlungswissen mit. Sie benötigen kürzere Einarbeitungszeiten, übernehmen gerne – falls gewollt – Verantwortung und stehen zu ihren Fehlern. Es gibt viele Pluspunkte, welche auch für ältere Beschäftigte sprechen.
    Und die Erfahrung die ich schon in der Zusammenarbeit mit jüngeren Menschen machte ist und war eine gegenseitige Bereicherung!

    Also bleiben wir positiv gestimmt. Denn wie heisst es so schön: «Die Hoffnung stirbt zuletzt!» :-)

    • 24. September 2019 um 12:18

      Lieber Herr Rometsch
      Vielen Dank für Ihre ausführlichen Gedanken zum Thema. «Die Recruiter*innen haben mich seit Kurzem entdeckt» – welch schöne Geschichte! Ich hoffe, dass viele andere Ähnliches auch bald von sich schreiben werden.

      Viel Erfolg und herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

    • 25. September 2019 um 20:22

      Haben sie die Adresse vom Recruiter, der Sie entdeckt hat?
      Ich bin kreativer Geist mit Doktor in Teilchenphysik und vielen Jahren in der Technologie-Industrie. Arbeite auch viel mit jungen Menschen und Start-ups als ehrenamtlicher Mentor und Experte. Suche seit 1.5 Jahren ohne Erfolg. Ich komme gar nicht soweit, dass ich zur Türe gelassen werde. Die sehen Alter, Lebenslauf und sagen «zu teuer». Ich würde auch für das halbe frühere Jahressalär arbeiten, aber ich komme erst gar nicht soweit.

  6. Zwyssig Eduardo
    23. September 2019 um 1:29

    Grüessech Herr Ganouchi

    Ich selbst bin ein Ü50 und auf dem Weg zum Finden einer neuen Herausforderung. Bevor ich eine Bewerbung versende kläre ich in einem Vorabgespräch die wichtigsten Punkte der Ausschreibung: Resultat = oft nur Worthülsen und nur in Ausnahmefällen tatsächlich wertvolle Zusatzinformation zur Stelle erhältlich (meist dann wenn der zukünftige Vorgesetzte/r Auskunft gibt).
    Und ja: Ausdauer und positive Haltung ist gefragt.

    • 24. September 2019 um 12:20

      Grüezi Herr Zwyssig
      Danke für Ihren Kommentar. Ja: Vorabklärungen machen oftmals Sinn. Nur auch schon, um aus der Masse herauszustechen. Und richtig: dieses Gespräch sollte mit der Linie stattfinden.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  7. R. Baumgartner
    22. September 2019 um 13:57

    Da muss man 50 werden, um diese Worte endlich auszusprechen, und dann erst noch mit einer Vorsicht als würde man in Nordkorea die nordkoreanische Führung kritisieren: «…ich bin nicht so optimistisch…». Ihre zaghaften Worte sind realistisch, leider, und ich kann sie inhaltlich zu 100 % unterstreichen. Sie nennen das Problem, im Gegensatz zu anderen Ignoranten. Sie nennen die Ursache («Zumal es oft deutlich jüngere Kandidaten gibt, mit interessanten und auf den ersten Blick passenderen Profilen…»; «…saugen wir weiterhin einfach den deutschen (und andere) Arbeitsmarkt auf…»).
    Aber Sie nennen nicht die Lösung. Dann nenne ich sie halt, auch wenn sie verpönt ist: Eine Begrenzung der Zuwanderung würde der Schweiz und ihrer Wirtschaft gut tun. Die Unternehmen kämen zwar weiterhin – wie schon immer – an Fachkräfte (welche diese Bezeichnung verdienen) heran, also an eigentliche Koryphäen auf ihrem Fachgebiet, denn die Schweiz zahlt gut. Aber für «nur» sehr gut, gut oder normal qualifizierte Arbeitskräfte müssten sich die Arbeitgeber hingegen wieder etwas mehr anstrengen: die interne Aus- und Weiterbildung fördern, vermehrt Frauen und ältere Arbeitnehmer/innen einstellen, auch mal einem Quereinsteiger eine Chance geben, zeitgemässe Arbeitsmodelle zulassen etc.
    Durch eine Begrenzung der Zuwanderung lösen sich somit einige Probleme gleichzeitig: Die Frau und der ältere Arbeitnehmer werden auf dem Arbeitsmarkt wieder angemessen wertgeschätzt; aufgrund der besseren Durchmischung, aber unter Beibehaltung Schweizer Werte und Tugenden, kommen zukunftsfähige Innovationen zustande; die Schweizer Dienstleistungen und Produkte entsprechen wirklich wieder ihrem guten Image, von dem sie teilweise heute noch zehren; der Bevölkerungsexplosion mit ihren negativen Auswirkungen wird Einhalt geboten etc.
    Ich weiss, es ist eine Forderung der Pfui-Partei. Aber wenn man unvoreingenommen, mit dem reifen Blick eines 50-jährigen genauer hinschaut, wird man erkennen, dass eine Begrenzung der Zuwanderung in vielen Bereichen gute Lösungen bietet. Besser jedenfalls, als die Arbeitslosigkeit von über 45-jährigen durch fragwürdige Seco-Statistiken zu verschleiern und später mit bundesrätlichen Almosen zu verwalten.

    • 24. September 2019 um 12:27

      Grüezi Herr Baumgartner
      Vielen Dank für Ihren Kommentar und Lösungsvorschlag. Ich bin eigentlich nicht als vorsichtig und zaghaft bekannt, habe aber versucht das Thema nicht agressiv anzugehen. Ich gebe Ihnen recht: man hätte das lauter machen können. Ich gebe Ihnen bei Ihrem Abschlussatz absolut recht.

      Ihr Vorschlag ist sicher ein legitimer. Nur bin ich nicht damit einverstanden, egal ob er aus der Pfuipartei kommt oder nicht. Um die Schweiz als Innovationsland weiter voranzutreiben benötigen wir auch Fachkräfte, die über andere Qualitäten verfügen als ü50er (ich pauschalisiere). Da gibt unser Markt offenbar in Summe zu wenig Potenzial her. Wir können nicht alle älteren Mitarbeitenden einfach in neue Anforderungen reindrücken. Da wird nichts Gescheites dabei herauskommen. Aber es müssen sinnvolle Positionen geschaffen werden, die deren Qualitäten nutzen können. Hier sehe ich den grössten Hebel. Nur ist noch nicht bekannt, welche das sein können. Ich bin gespannt und bleibe am Ball.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  8. Regula Degen
    17. September 2019 um 11:13

    Obwohl wir auch eine Onlineplattform haben um sich zu bewerben, screenen wir alle Bewerbungsdossier persönlich.
    ü50 ist gar kein Problem, wenn die Anforderungen stimmen. Ich habe selber viele ü50 eingestellt und bisher nur 2-3 x Probleme mit diesen Personen gehabt. Die Leute wissen was sie wollen, wollen meistens bis zur Pensionierung bleiben, können arbeiten und sind meistens stressresistenter wie die Jungen.
    Ich sehe gar kein Problem damit und bin immer gut gefahren.

    • Herbert rohr
      18. September 2019 um 8:35

      Guten Tag Frau Degen
      Wie sieht es mit ü60 aus? Bei welchem Unternehmen kann ich diese Stellen finden?
      Gruss
      H.R.

    • 24. September 2019 um 12:29

      Grüezi Frau Degen
      Sehr vorbildlich, wie Sie sich verhalten. Bitte teilen Sie Ihre Erfahrungen bei allen Ihnen bekannten Recruiting-KollegInnen, damit diese ähnlich unvorhereingenommen agieren. Interessant ist ja, dass ich einige persönliche Feedbacks erhalten habe, die gleich abgelaufen sind. Und alle haben positive Erfahrungen gesammelt. Aber in Summe bleibt es leider schon für viele ein Problem.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

    • Rita Pfister
      25. September 2019 um 7:47

      Ich kann mich Frau Degen nur anschliessen, denn eine gesunde Mischung macht’s aus. Wir stellen auch gerne Mitarbeiter über ü50 ein. Die Jüngeren können viel von dem Erfahrungsschatz der Älteren profitieren und die Älteren bleiben auf dem neuesten Stand und fühlen sich nicht ausgegrenzt oder sogar wertlos.
      Wenn die Firmenphilosophie diese Werte unterstützt ist es ein gewinnbringendes Miteinander in jeder Hinsicht.

  9. 16. September 2019 um 9:42

    Sensibilisierung des Umfeldes ist das A und O. Jede(r) kann dazu etwas beitragen. Falsche Scham abgewöhnen.
    Und: coding der Plattformen machen auch Menschen, KI/AI ist noch nicht so weit. Also speziell junge HR-Leute in diese Richtung trainieren.

    • 16. September 2019 um 15:56

      Vielen Dank für Ihren Kommentar Frau Kuhnen
      In der Tat: viele können etwas dazu beitragen. Ich sehe jedoch primär die Unternehmen in der Pflicht, hier entgegen zu wirken. Da gibt es viel Nachholbedarf. Das Training junger Recruiter gehört u.a. dazu.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

      • Hugo H.
        18. September 2019 um 11:11

        Unternehmen in der Pflicht? Leider sehen sich Unternehmen je länger je mehr den Aktionären und den Boni der Manager verpflichtet…sicher nicht der sozialen Verantwortung. Genauso wie es ein Gesetz gibt, dass Unternehmen Steuern bezahlen müssen (sonst würden sie es nämlich nicht tun – garantiert!) frage ich mich, ob die Unternehmungen nicht auch «per Gesetz» zur Wahrnehmung sozialer Verantwortung «geholfen» werden müsste.
        Das Gejammer über den Fachkräftemangel nervt schon lange – es hätte genügend (konkret: alte) Arbeitslose, die ihr Fachwissen gerne einbringen würden…sind aber nicht so leicht zu führen, geschweige denn «sexy».

        Hat schon jemand über «Altersquoten» nachgedacht?
        Jedes Unternehmen ab Grösse (z.B.) 10 Mitarbeitende muss (z.B.) 10% der Belegschaft ü50 und (z.B.) 5% ü60 beschäftigen. Wenn nicht, wird ein Solidaritätsbeitrag zugunsten älterer Arbeitslosen erhoben zur Verlängerung deren ALV-Bezugsdauer. Ganz einfach!
        Wetten, dass sehr schnell viele ältere Arbeitssuchende eine Stelle fänden!

  10. 14. September 2019 um 22:17

    Dennoch…
    Tendenziell stimme ich der Diskussion schon zu. Ich selber (jetzt 54 Jahre alt) habe oft den Eindruck gehabt, die Absage war rein altersbedingt. Aber nach nur fünf Monaten Arbeitslosigkeit habe ich auf eine Online-Stellenausschreibung hin einen neuen Job gefunden. Mit finanziellen Abstrichen zwar, aber immer noch ok.
    Vielleicht macht es dem ein oder anderen Mut.
    Liebe Grüsse
    Th. Wesselmann

    • 16. September 2019 um 15:57

      Grüezi Herr Wesselmann
      Vielen Dank für Ihren Mutmacher! Jeder positive Erfahrungsbericht ist Gold wert. So habe ich durchaus auch von Beispielen gehört, die BEWUSST jemand älteren eingestellt haben. Nur ist das leider eher die Ausnahme als die Regel.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  11. Iseli Hansruedi
    13. September 2019 um 16:27

    Lieber Herr Ganouchi

    Vielen Dank für Ihre interessanten Reflektionen.
    Was mich erstaunt ist die Tatsache, dass jüngere Menschen im HR zwischen 20 und 30 Jahren rekrutieren sollen. Da muss ich mich schon fragen.

    Freundliche Grüsse
    Hansruedi Iseli

    • 16. September 2019 um 15:59

      Grüezi Herr Iseli
      Diese Zahl ist Beobachtung, Schätzung und keinesfalls empirisch erwiesen. Die Recruiterfunktion wird innerhalb einer HR-Laufbahn aber nach wie vor als Einstieg und darum «juniorere» Position gesehen. Und auch entsprechend entlöhnt. Was vollkommen falsch ist, wenn man bedenkt, wie herausfordernd Recruiting heute ist!

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  12. Philipp Schnell
    13. September 2019 um 15:40

    Lieber Michel
    Wir kennen uns ja noch aus Zeiten, wo wir deutlich jünger und gefragter waren am Arbeitsmarkt. Als ü50er möchte ich noch zwei eigene Erfahrungen deinem super-guten Artikel anfügen.

    – Ich war vor einigen Jahren in einer Situation wo ich für eine neue Abteilung viele Mitarbeiter suchen und einstellen durfte. Im Online-Bereich gab es damals noch keine «klassischen» Ausbildungswege, also habe ich «Typen»/Menschen gesucht, ohne konkrete Ausbildungs- oder Altersvorgaben. Die Vorauswahl hat die HR-Abteilung gemacht und in den ersten Interview-Runden fand ich einfach keine passenden Kandidaten. Also habe ich mich nach dem Auswahlverfahren im HR erkundigt. Und da hat man effektiv eine Lernende (!) damit beauftragt, mal eine erste Selektion zu machen. Und weil «online» noch relativ neu war, hat diese junge Mitarbeiterin einfach mal ganz junge coole Kandidaten ausgewählt. Alle Ältern sind gleich aussortiert worden. Ich hab dann alle Dossiers selber geprüft und viele gute Kandidaten gefunden, die auch älter als 25 waren!

    – Ich hab mich später selber zwei mal für längere Zeit auf dem Arbeitsmarkt bewegt – damals auch schon deutlich über 40. Es war sehr schwierig und hat in einem Fall sehr sehr lange gedauert (fast 2 Jahre). Und beim Nachfragen auf Absagen ist mir langsam aber sicher ein deutlicher Verdacht gekommen: immer mehr Arbeitgeber bieten Online-Formulare an, um sich zu bewerben. Das heisst, es wird je nach Stellenausschreibung automatisiert aussortiert, was nicht passt. Und häufig wird da der Jahrgang als Kriterium genommen. Niemand schaut die Bewerbung wirklich an. Das Hauptkriterium für eine erste Selektion ist der Jahrgang, dann wird ein mehr oder weniger nettes Standard-Schreiben verschickt im Sinne von «…leider passenderen Kandidaten gefunden. bla bla bla».

    Als ü50er mache ich mir da schon sehr viele Gedanken. Ich sollte sicher noch 15 Jahre oder länger arbeiten, aber die Marktchancen sind extrem beschränkt. Echt frustrierend.
    VG Philipp

    • 16. September 2019 um 16:04

      Hi Philipp
      Vielen Dank für deine beiden Ergänzungen. Leider sind sie symptomatisch. Und bestätigen meine sorgenvolle Einstellung zum Thema. Vorauswahl in eher nicht qualifizierte Hände geben mit Mini-Briefing wird nicht helfen. Die zunehmende Digitalisierung inkl. Formularbewerbung und automatisiertem Matching ebenfalls nicht. Wobei man wieder sagen muss, dass die digitalen Kriterien von Menschen eingepflegt werden. Spricht leider auch nicht für die Unternehmen.
      Ich bin gespannt, wie sich die Situation bei dramatisch zunehmender Marktveränderung entwickelt. Vielleicht sind wir alten Säcke dann plötzlich wieder begehrt. Ich würde es uns gönnen! :-)

      Herzliche Grüsse
      Michel

  13. 13. September 2019 um 13:02

    Hallo allerseits

    Als Outplacement-Berater kenne ich die Sorgen und Nöte der Stellensuchenden ü50 nur allzu gut. Erfahrungsgemäss finden die meisten Betroffenen nach einer mehr oder weniger langen Suchphase wieder eine Anschlusslösung,
    – wenn sie genau wissen, was sie wollen und können.
    – wenn sie selbstbewusst und überzeugend auftreten.
    – wenn sie ihr persönliches Umfeld mit einbeziehen.
    – wenn sie in anerkannte Ausbildungen investieren.
    – wenn sie ein Mindestmass an Flexibilität mitbringen.
    – wenn sie an sich glauben (ein ganz zentraler Punkt).
    – wenn vielleicht auch mal der Zufall mitspielt.

    Selbstverständlich gibt es auch einige grössere Hürden, das will ich nicht beschönigen. Beispielsweise die hohen Sozialabgaben (systembedingt, da sind Politik und Wirtschaft gefordert) oder die Vorurteile in den Köpfen etlicher Zeitgenossen/innen.

    Klar ist: die meisten ü50 schaffen den Wiedereinstieg – aber es ist, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, «ein Marathon». Aufgeben ist für viele Betroffene keine wirkliche Option.

    Herzliche Grüsse aus Luzern
    Luc Auf der Maur

    • 16. September 2019 um 16:06

      Grüezi Herr Auf der Maur
      Vielen Dank für Ihre Ergänzungen. Sie bestätigen meine These: 7x wenn plus zusätzliche Hindernisse sind ganz schön viel. Nicht alle haben die Kondition für einen solchen Marathon. Ich wünsche allen Betroffen die nötige Kraft dazu.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  14. Manuel Martinez
    13. September 2019 um 11:04

    Lieber Michel

    Es ist eben schon so wie Du es schreibst.
    Ich denke man sollte sich regelmässig (ich bin 42) hinterfragen. Sich die Fragen stellen: Was kann ich, was kann ich gut, was kann ich noch lernen, was ist meine Passion, wo biete ich einen (echten!) Mehrwert. Wer benötigt was ich zu bieten haben.

    In finanziell guten Zeiten in sich investieren – es muss nicht immer der Arbeitgeber sein der alles bezahlt – ich will ja meine Zukunft selbst in die Hand nehmen und nicht fremdgesteuert sein. Insbesondere wenn man im tertiären Sektor angesiedelt ist keine MINT Aus- und Weiterbildung genossen hat.

    Sich rechtzeitig mit dem Thema auseinandersetzen, Gespräche suchen, sich vorbereiten…
    Ich denke das wäre nicht verkehrt. Von 100 auf 0 ist dann schwierig.

    Bis bald und liebe Grüsse, Manuel

    • 13. September 2019 um 11:43

      Ciao Manuel
      Richtig. Reflexion über das eigene (berufliche) Sein und die Entwicklung ist enorm wichtig. Und dann auch entsprechendes Handeln. Leider gibt es viele, die es verpasst haben und solche, die es nicht können oder wollen. Es wird zunehmend schwieriger, à jour zu bleiben. Ich sehe das als grosse Herausforderung.

      Herzliche Grüsse
      Michel

  15. 12. September 2019 um 21:03

    Googeln Sie mal «Early Adaptors». Adaptieren Sie sich selber. Eine Aus- und Weiterbildung im Pflege- und Betreuungsbereich zum Beispiel.
    Als Coach für u.a. selbständige Pflegende und Therapeuten, sehe ich immer wieder, wie Personen im Gesundheitswesen rasch wieder integriert sind. Meist hat man mit ü50 ein kleines Angespartes und zusammen mit der ALV-Leistung lässt sich ein Neuanfang durchaus formen. Die Gedanken müssen aber auch adaptiert und die Komfortzone verlassen werden. Viel Erfolg und viel Energie für diese ersten Schritte der Grenzüberschreitung. Jacqueline Zesiger

    • 13. September 2019 um 11:47

      Grüezi Frau Zesiger
      Als «Marketeer» ist mir der Begriff «Early Adopters» natürlich sehr geläufig. Ich habe das vor Urzeiten in Zusammenhang mit dem Produktlebenszyklus gelernt. Das von Ihnen beschriebene Modell kann sicher funktionieren. Ich bin gespannt, wieviele Menschen dazu bereit wären, sich entsprechend zu engagieren. Ob das als Notlösung oder Sinnstiftung gesehen wird. Der Bedarf ist sicherlich langfristig vorhanden.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

    • Corinne
      14. September 2019 um 9:16

      Das ist wiederum eine falsche Annahme, dass man mit ü50 etwas Angespartes hat. Mag «früher» so gewesen sein, hat in der heutigen Zeit jedoch weniger Gültigkeit – aus verschiedenen Gründen. Es ist locker gesprochen, dass man «einfach» mal so in einem Pflegeberuf eine Chance findet. Auch da spielt das Alter eine Rolle und es ist effektiv nicht jedem gegeben in den Pflegesektor zu wechseln. Solche Pauschalisierungen generieren meiner Meinung nach falsche Eindrücke.

  16. Beat Arnold
    12. September 2019 um 15:32

    Guten Tag Herr Ganouchi

    Sehr guter Artikel. Sie bringen da viele Aspekte wirklich auf den Punkt.
    Ich erkläre meinen ü50-Klienten stets, dass die Stellensuche in diesem Alter einem Marathon gleich kommt (im Gegensatz zu jüngeren Jahren, wo dies eher zu den Sprint-Disziplinen gehört).
    Das Problem in unserer Gesellschaft ist einfach, dass nicht jede Person für Langstrecken-Rennen gemacht ist und nicht jeder einen Marathon ohne bleibende Gesundheitsschäden (physische oder psychische) übersteht!
    Mit besten Grüssen,
    Beat Arnold (ü59)

    • 12. September 2019 um 16:10

      Grüezi Herr Arnold
      Danke für Ihre Rückmeldung. Ihr Marathon-Vergleich ist sehr treffend. Ich hoffe die Klienten schaffen das, ohne Einnahme von verbotenen Substanzen. ;-)

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  17. 12. September 2019 um 15:09

    «Mit 40 gehört man zum alten Eisen!» oder «Arbeitsmarkt ü45 – zu alt für den Job, zu jung für die Rente». Wer immer wieder solche Überschriften in der Presse liest, dem fällt es schwer keine Angst zu haben. Ich bin selbst seit 2 Jahren dem Club der ü50 beigetreten und kann Ihre Sorgen sehr gut nachvollziehen. Wir erleben in unserer Berufspraxis allerdings ein etwas differenzierteres Bild:

    – Die Schwierigkeiten wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukehren sind nicht ab 50, sondern vor allem ab 55 bzw. 58 spürbar grösser. Die Thematik wird mit dem Label «50+» doch recht verallgemeinert.
    – Unternehmen stellen sehr wohl Arbeitskräfte über 50 ein, was aktuelle Studien und Statistiken beweisen. Die Schwierigkeit besteht vor allem seitens der Bewerber darin die Vorurteile zu überwinden, die HR oder die Linie hat: Wer überzeugen und glaubhaft beweisen kann, dass er oder sie sich kontinuierlich weitergebildet hat, offen für Neues ist und langjährige Erfahrung auch ein echter Mehrwert sein kann, der oder die hat eine echte Chance.
    – Die ausgeschriebenen Stellen bilden den kleineren Teil des gesamten Arbeitsmarktes ab. 50+ Kandidaten sind aus unserer Praxis überproportional im versteckten Jobmarkt erfolgreich, der mehr als 50 % aller vergebenen Stellen pro Jahr ausmacht.

    Die kontinuierliche Diskussion um das Thema hilft sicher Aufklärung zu betreiben und damit Politik, Wirtschaft und Medien zu konstruktiver Problemlösung zu bewegen und Ängste zu nehmen, anstelle dies zu schüren. Von daher vielen Dank für den Blogbeitrag.

    • 12. September 2019 um 16:19

      Grüezi Herr Schimanke
      Vielen Dank für Ihre wertvollen Präzisierungen und Ihr Dankeschön. Ich möchte darauf in Frage- und Bemerkungsform eingehen:
      – Wer ist wir? Nur damit die Leser eine Vorstellung Ihrer Tätigkeit haben.
      – Wie wollen BewerberInnen HR und Linie von sich überzeugen, wenn Sie kaum die Chance dazu erhalten? Wohl kaum im Motivationsschreiben.
      – Was ist mit all den Menschen, die sich eben nicht kontinuierlich weitergebildet haben? Sind die dann einfach selber schuld? Nicht alle haben Karriere gemacht, Akademiker oder finanziell solide ausgestattet.
      – Ja, ich glaube, dass das persönliche Netzwerk eine sehr relevante Rolle spielt, um eine neue Stelle zu finden. Da kann langjährige Berufserfahrung eine Rolle spielen. Woher nehmen Sie die These, dass die ausgeschriebenen Stellen weniger als 50% darstellen? Das dünkt mich gar drastisch.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

      • 13. September 2019 um 10:37

        Lieber Herr Ganouchi,
        Sie sprechen genau das Richtige an. Die grösste Hürde bei «ü50» ist überhaupt zu einem Gespräch eingeladen zu werden.
        Im klassischen Bewerbungsprozedere liegt der Schlüssel zum Erfolg tatsächlich in einem authentischen Lebenslauf mit einem aussagekräftigen Kurzprofil, in dem schon klar zu lesen ist, was der Mehrwert von Erfahrung und Alter ist. Wenn dies wirklich gut gemacht ist und überzeugt, dann spielt auch heute noch ein ehrliches und individuelles Motivationsschreiben eine grosse Rolle. Viele Personaler wollen tatsächlich wissen, warum die Kandidaten denn in ihrem Unternehmen arbeiten wollen. Schreiben Sie mehr als nur einen Standardbrief!
        Der erfolgreichere Weg zu einem Gespräch läuft aber über den verdeckten Arbeitsmarkt. Die von mir genannten Zahlen sind natürlich keine These, sondern basieren auf diversen Studien. Zum Beispiel zeigt die jährliche Statistik, die ACF Switzerland publiziert, dass über 50% der Stellen über Netzwerk, Spontanbewerbungen und Headhunter nicht offiziell ausgeschrieben werden.
        Und wenn Sie sich nicht weitergebildet haben, warum nicht jetzt zum Sprachkurs anmelden? Eigeninitiative kommt altersunabhängig immer an.
        Übrigens: «Wir» ist das Team der Schluchter, Licci und Partner AG mit Sitz in Basel, Zürich & Zug. Mit über 15 Jahren Erfahrung im Outplacement durften wir weit über 2000 Menschen individuell in Ihrer Karriere beraten und begleiten.
        Herzliche Grüsse
        Ihr Holger Schimanke

      • Stefan Trappitsch
        15. September 2019 um 14:25

        Sehr geehrter Herr Ganouchi

        Sie stellen die Frage «was mit all den Leuten ist, die sich nicht weitergebildet haben». Ist das eine rhetorische Frage? Ich bin im 54. Altersjahr, hier ist meine Antwort: Wer es in einem sich rasant verändernden Umfeld verpasst, sich weiterzubilden, trägt eine ganz bedeutende Verantwortung, wenn die Arbeitsmarktfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Es ist etwas provokativ, dies mit Absicht: die Opferrolle ist eine sehr bequeme Art, andere für eigene Unzugänglichkeiten verantwortlich zu machen. Ich zeige mit Fingern auf diese und muss selber nichts unternehmen. Wirklich äusserst komfortabel, aber leider nicht zielführend.

        Ich mache mir mit dieser Haltung nicht nur Freunde, dessen bin ich mir bewusst. Es ist vielleicht nicht DIE aber MEINE Wahrheit. Und wie gesagt: Ich bin 53 Jahre alt.

        Beste Grüsse
        Stefan Trappitsch

  18. Gunda Hocke
    12. September 2019 um 10:43

    Guten Morgen,
    meine Empfehlung: Achtet darauf, was Ihr denkt, es könnte passieren. Will heissen es geschieht immer das, was Ihr glaubt.
    Das könnt Ihr auch positiv nutzen.

    Meine Erfahrung: selbst als Rentnerin (und auch vorher) habe ich die Jobs bekommen, die ich wollte und bin aktuell mit 69 «on the job».
    Das ist kein Zauberwerk – man nennt es auch Mentaltraining!

    • 12. September 2019 um 10:56

      Grüezi Frau Hocke
      Ich freue mich für Sie, dass es bei Ihnen so toll klappt. Ja, positives Denken hilft auf jeden Fall. Aber sagen Sie das jemandem, der schon dutzende Absagen erhalten hat, trotz passender Qualifikationen.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

      • Gunda Hocke
        12. September 2019 um 11:05

        Hallo Herr Ganouchi

        Nicht den normalen Bewerbungsweg nehmen, sich von den Mitbewerbern positiv abheben, so dass die Unternehmen sich erinnern und neugierig werden.
        L.G. Gunda Hocke

    • 13. September 2019 um 7:08

      Guten Morgen Frau Hocke,
      Das stimmt genau. Wie Buddha schon schrieb «Was du heute denkst, wirst du morgen sein».
      Ich habe mit 57 die Ausbildung zur dipl. Personalleiterin NDS HF angefangen und erfolgreich absolviert. Mit 60 habe ich eine neue Herausforderung gefunden. Ich habe mir klare Ziele gesetzt, wie soll meine künftige Stelle sein und bis wann habe ich die Stelle gefunden. Es hat funktioniert…!
      Viele ü50er verbauen sich ihre berufliche Zukunft mit ihrer negativen Denkweise selber.

  19. Kieffer Maria
    12. September 2019 um 10:35

    Ich wurde mit 58 in die Vorpensionierung «geschickt»: Seither KEINE Möglichkeit, eine neue Stelle zu finden, noch nicht einmal eine Offerte zu einem ersten Gespräch…
    Zum Glück habe ich mindestens eine lebenslänglich-gekürzte Überbrückungsrente bis zum AHV-Alter…
    Sehr traurig für mich, weil ich gerne wieder berufstätig sein möchte.

    • 12. September 2019 um 10:58

      Grüezi Frau Kieffer
      Dieses Schicksal wurde mir schon öfters gespiegelt. Traurige Realität. Immerhin wurde es finanziell teilkompensiert. Davon können leider nicht alle profitieren. Ich hoffe, Sie finden dereinst ein Engagement, bei dem Sie sich sinnvoll einbringen können.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  20. 12. September 2019 um 10:04

    Die Worte könnten auch von mir sein. Voll die Realität abgebildet und auf den Punkt gebracht. Gratulation.

    • 12. September 2019 um 11:00

      Grüezi Frau Bütikofer
      Vielen Dank für Ihre Worte. Eigentlich wäre es mir lieber, wenn mein Beitrag Fiktion wäre. Leider ist dem nicht so. Es ist echt an der Zeit, daran etwas zu verändern.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  21. Dan Heiter
    12. September 2019 um 8:15

    Ich bin mit 55 Jahren freiwillig in den Arbeitsmarkt eingestiegen, da mein alter Arbeitgeber die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Nun erlebe ich tagtäglich, wie die jüngere Generation rekrutiert…!
    Genau, ich schäme mich fast um den Berufsstand «Human Resources». Und HR ist meine Leidenschaft, die ich tagtäglich lebe, auch ohne derzeitige Anstellung.
    Es wäre endlich an der Zeit, dass die Unternehmensleitungen realisieren, dass es immer noch einen gesunden Mix aus weniger erfahrenen und erfahrenen Mitarbeitenden braucht (ich hab meine Karriere gemacht).
    Ich glaube aber an das Gute und bin überzeugt, dass es ein Arbeitgeber geben wird, welcher auch den älteren (junggebliebenen und fitten) Mitarbeitenden mit 55 wieder einstellt.

    • 12. September 2019 um 11:02

      Grüezi Herr Heiter
      Sie haben recht: der richtige Mix macht’s aus. Sich gegenseitig weiterbringen, Scheuklappen ablegen. Ich sehe hier noch einen weiten Weg vor uns, bei dem Unternehmen noch nicht genug unter Druck sind. Ich hoffe, das wird sich ändern.

      Herzliche Grüsse
      Michel Ganouchi

  22. 12. September 2019 um 7:30

    Welcome, welcome… 👍🏻

    • 12. September 2019 um 11:02

      … danke, danke!

      Es grüsst ein selbstständiger ü50er. :-)
      Michel Ganouchi

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