Recruiter*innen braucht das Land! Echt jetzt?!

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PersonalmarketingHaben Sie in Ihrem Unternehmen auch gerade eine Vakanz als Recruiter, Talent Acquisition Manger, (Active) Sourcer oder wie auch immer das alles Neudeutsch jetzt heisst? Gratuliere. Sie sind nicht alleine.

Die Jobplattform jobagent.ch, die auf alle in der Schweiz öffentlich erkennbaren Stellen zugreift, weist sage und schreibe 226 offene Stellen im anverwandten Bereich auf. Neuer Rekord? Selbst bei «Talent Acquisition» spuckt die Maschine ganze 53 Ergebnisse aus (inkl. Überschneidungen). Bei Employer Branding sind’s dann noch 21. Aha. Wir lösen also operativ, was wir strategisch verpassen.

Dies ist die wohl offensichtliche Folge davon, dass Unternehmen einerseits erkennen, dass sie «etwas tun» müssen, um die richtigen Leute zu finden. Eine Investition nach innen einerseits und ein wichtiger Schritt hin zur Professionalisierung des Recruitings andererseits. Das freut mich.

Liest man die Stellenanzeigen, ist es allerdings ganz schön beachtlich, was diese Leute in Personalunion alles können sollten. Nein: es ist gar illusorisch. Anzeigen neu ausschreiben (Storytelling, weisch!), Absprachen mit der Linie führen, den Anzeigen-Mediamix zielgruppengetreu gestalten, Inhalte fürs Employer Branding schreiben, Social Media bespielen, Karriereseite weiter gestalten, evtl. auch noch eine Employer-Branding-Strategie entwickeln, ein HR-IT-Projekt begleiten, Hochschulmarketing aufziehen und durchführen, proaktive Kandidatensuche und -ansprache über Social Media auch noch und idealerweise ein Recruiting-KPI-Dashboard aufziehen. Wow.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr dämmert es mir: es ist die schiere Ratlosigkeit von Unternehmen, sich dem drohenden (von mir aus auch existierenden) Fachkräftemangel zu stellen. Wir packen sämtliche Versäumnisse in ein Stellenprofil und gehen davon aus, dass wir jemand finden, der/die das alles kann und damit die Probleme gelöst werden. Viel Glück. Es wird nicht funktionieren.

Wenn Sie im Unternehmen nicht erkennen, dass Sie das Thema Arbeitgeberattraktivität ganzheitlich angehen müssen, bleibt es ein operativer Recruiting-Flickenteppich. Wenn die Geschäftsleitung nicht geschlossen erkennt, was «Personalarbeit» wirklich bedeutet, wird es nicht fruchten. It’s the mindset – stupid! Echte Wertschätzung, Führung, die diesen Namen verdient (also: neu interpretiert!), Dialog, Vertrauen, Involvierung und Befähigung. Arbeiten Sie an sich und gegen innen. Schaffen Sie ein Identifikationsangebot. Anerkennen Sie die existierende Unternehmenskultur und gaukeln Sie sich nicht vor, dass die neuen Unternehmenswerte auf den Hochglanzpostern tatsächlich Anklang finden.

Die erwähnten Themen des Jobprofils sind alle wichtig und richtig. Aber: erledigen Sie seriös Ihre Hausaufgaben. Tun Sie das Offensichtliche. Ansonsten wird die neue Recruiter*in zwar kurzfristig einen Teil Ihres Vakanzen-Problems lösen. Nur, was nützt das schon, wenn das System krank ist.

15 comments for “Recruiter*innen braucht das Land! Echt jetzt?!

  1. 29. November 2019 um 13:16

    Hallo Herr Ganouchi

    Wirklich guter Bericht der mich kurz dazu verleitet auch ein Statement abzugeben. Als ehemaliger HR-Leiter, Personalberater und Unternehmer sehe ich eine Entwicklung, welche uns nicht wirklich weiterbringen wird.

    ERKENNEN WIR DAS WAHRE POTENTIAL

    Alles begann als unsere Eltern die Geschichte vom Prinzen auf dem edlen Schimmel erzählten. Bis heute glauben immer noch die Mehrzahl der Frauen an diesen Mythos (ganz tief im Innern könnte dies wohl sein oder).

    Vielleicht suchen wir darum immer noch nach der «eierlegende Wollmilchsau» und versuchen kaum, unser Potential in den eigenen Reihen weiterzuentwickeln. Es passt zum Gesellschaftsbild, dass wir unser Glück im Aussen suchen und nicht im Innen. Auch wenn einige clevere Marketing-Experten erkannt haben, dass bereits die Bezeichnung «Personal» oder «Human Resources» nicht mehr zeitgemäss ist und wir uns nun neu «People- & Culture-Manager» nennen sollen, verändert dies NICHTS am Mindsetting. Es herrscht aus meiner Sicht in vielen Branchen kein effektiver Fachkräftemangel, es herrscht ein Mangel an Langfristigkeit. Wir müssen Resultate liefern und zwar heute und nicht in ein paar Jahren. Somit fehlt der Wille die vorhanden Potentiale weiterzuentwickeln und die bestehenden Anforderungsprofile immer wieder zu hinterfragen und dann zukunftsgerichtet zu gestalten. Solange viele Firmen immer noch mit längst überholten Stellenbeschreibung hausieren, wird ein seriöses Recruiting gar nie möglich sein. Das Heilmittel ist WISSEN. Wissen was künftig im Unternehmen gebraucht wird und was das Unternehmen und die Mitarbeitenden wirklich brauchen. Solange wir uns hinter Administration, tausenden von E-Mails und stetigen internen Veränderungsprozessen verstecken, werden wir den KERN eines «People-Managers» nie erkennen.
    Das Leben ist aber sehr fair und bringt uns immer wieder neue Spielweisen (Digital Transformation) damit wir uns erneut NICHT mit dem Kern beschäftigen müssen, sprich: die Verantwortung zu übernehmen, den MENSCHEN und sein ganzes POTENTIAL ins Zentrum zustellen. Am Schluss geht es doch in unserem Leben lediglich darum, sich in allen Facetten zu erleben und Wissen zu erfahren und weiterzugeben. Unser letztes Hemd hat bekanntlich keine Taschen, auch wenn viele mehr Zeit verwenden diese zu füllen als auszufüllen?

    Gruss
    Martin Herzog

  2. Michael Schwab
    29. November 2019 um 10:48

    Herrlicher Artikel, musste schmunzeln :-)

    • 29. November 2019 um 13:32

      …und ich dachte zuerst, dass ich zu angriffig schreibe. Ich kenne doch einige Recruiter*innen und wollte niemandem zu nahe treten. Scheinbar sind diese aber noch so froh, dass das mal von jemandem thematisiert wird.

      Gruess
      Michel

  3. 28. November 2019 um 20:51

    Du sprichst mir aus der Seele Michel – echt gut geschrieben!

    Als Rec2Rec-Profi für die Schweiz beschäftigt mich dieses Business tagtäglich und ich bin auch immer wieder erstaunt über die Vorgehensweisen der Unternehmen (nicht nur Endkunden, sondern auch Agenturen). So nach dem Motto: «He, lass uns einen Recruiter einstellen, der/die wird uns schon die richtigen Leute finden und wir müssen uns nicht um die anderen Themen kümmern…»

    Aber wir wissen ja, dass mehr dazu gehört…

    • 29. November 2019 um 13:33

      Vielen Dank Michael

      In der Tat: manchmal ist es unfassbar, wie fahrlässig mit den Themen umgegangen wird. Und immer wieder frage ich mich, woran das liegt…

      Herzlich,
      Michel

  4. Pascale
    28. November 2019 um 16:30

    So ist es.

    Aber nicht nur die Geschäftsleitung, sondern auch das HR muss selbst erkennen, was Personalarbeit im eigentlichen Sinne bedeutet.

    • 29. November 2019 um 13:35

      Einverstanden. Nur erlebe ich immer wieder gut gemeinte HR-Initiativen, die dann auf C-Level nicht anerkannt werden. Oder wegen anderer Prioritäten vom Tisch fallen, usw….

      Viele Grüsse
      Michel

  5. 28. November 2019 um 14:40

    …da gibts nichts mehr beizufügen.

    • 28. November 2019 um 16:18

      Ohh…
      Ich könnte da noch einiges mehr zum Thema schreiben. Aber das würde dann den Rahmen hier sprengen… ;-)

      Herzlich,
      Michel

  6. Edda Rettinger
    28. November 2019 um 14:33

    «It`s the mindset, stupid» – wunderbar! Den Satz adoptiere ich!

    Gut geschrieben, Michel!

    • 28. November 2019 um 16:19

      Danke liebe Edda!

      Irgendwie flutschte mir der Text nur so in die Tastatur. Ich liebe diesen Flow.

      LG
      Michel

  7. 28. November 2019 um 10:34

    It’s the mindset – stupid! I love your writing style ;-) Du hast einmal mehr ein Thema treffend auf den Punkt gebracht.

    • 28. November 2019 um 11:28

      Danke für die Blumen lieber Raphi! Es wundert mich nicht, dass wir diesbezüglich ähnlich denken ;-).

      En Gruess
      Michel

  8. Urs
    28. November 2019 um 9:43

    Auf den Punkt gebracht. Super formuliert. I like!

    • 28. November 2019 um 11:29

      Danke für dein Feedback Urs!
      Es freut mich wenn Inhalt und Schreibstil gleichermassen ankommen.

      LG
      Michel

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